Basis befürchtet Nachgeben der IG Druck

■ Angeblicher Kompromißentwurf im Tarifkonflikt der Druckindustrie sieht zwölf Samstage pro Jahr vor, an denen bis 23.00 Uhr gearbeitet werden darf / Demonstration vor den Schlichtungsverhandlungen

Wiesbaden/Berlin (ap/taz) - Noch bevor eine Einigung zustandegekommen ist, gibt es im Tarifkonflikt der Druckindustrie bereits erste Proteste von der Basis.

Die Teilnehmer verschiedener Schulungskurse in der Bildungsstätte Heidenrod/Springen der IG Druck und Papier protestierten heftig gegen einen angeblichen Kompromißentwurf der Drupa-Verhandlungskommission zur Wochenendarbeit, wonach an zwölf Samstagen im Jahr bis 23.00 Uhr gearbeitet werden dürfte.

In der Resolution heißt es, diesen Vorschlag „hätten wir eher für eine Unternehmerforderung gehalten“. Die Mobilisierung für die Sicherung des freien Wochenendes sei so hoch wie noch nie.

In vielen Betrieben hätten 100 Prozent für den Streik gestimmt. In München und anderswo hätten sich sogar Unorganisierte zu Hunderten am Streik beteiligt. Die Verhandlungsdelegation wird aufgefordert, den Kompromißvorschlag zurückzuziehen.

Bei den Schlichtungsverhandlungen in Wiesbaden hatten sich ebenfalls mehrere hundert demonstrierende Drucker vor dem Hotel „Nassauer Hof“ eingefunden, um ihrer Verhandlungskommission den Rücken zu stärken. Nachdem es in der Nacht zum Mittwoch Signale für eine Annäherung in den wichtigsten Fragen gegeben hatte, hießt es am Mittwoch nachmittag nochmals, die Standpunkte hätten sich wieder auseinanderbewegt. Worauf sich die erneut aufgetauchten Differenzen bezogen, ging aus den Meldungen nicht hervor.

Offensichtlich, so erklärte der Drupa-Vorsitzende Erwin Ferlemann, gebe es auf der Arbeitgeberseite Abstimmungsprobleme zwischen den beteiligten Verbänden. Als wesentlicher Stolperstein gilt immer noch die Abgrenzung der notwendigen Wochenendarbeit bei der Herstellung von Zeitschriften.

Für den Nachmittag hat die IG Druck und Papier ihre Große Tarifkommission nach Wiesbaden bestellt, um den bisher erreichten Verhandlungsstand vorzulegen. Gestern nachmittag wollte die Spitze der IG Druck dann noch über weitere Schritte beraten. Von Beobachtern wird davon ausgegangen, daß sich die Gespräche unter Leitung des Schlichters Heinrich Reiter noch bis in die Nacht zum Donnerstag hinziehen würden.

Auch gestern wurde die Druckbranche von einer heftigen Streikwelle überrollt. Rund 23.300 Beschäftigte in über 220 Betrieben beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaft an Streikaktionen. Der Deutschen Journalistenverband (DJV) rief ausdrücklich zu Solidaritätsaktionen für die IG Druck und Papier auf.

Viele Zeitungen waren am Mittwoch nur in Notausgaben herausgekommen, einige waren gar nicht erschienen. Nach Angaben der Zeitungsverleger mußten 51 Zeitungen ihren Umfang verringern.

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