Die letzte Runde wird die härteste

„Koalitionsausschuß“ und Senatsbesetzung stellen Koalitionswillen der Berliner Parteien auf die Probe  ■  Von K.Hartung und B.Fehrle

Berlin (taz) - Pünktlich um 15 Uhr begann in der Tagungsstätte der IG Metall am Pichelsee die „Donnerstagsrunde“ zwischen AL und SPD über die letzte Phase der Koalitionsbildung: auf der Tagesordnung standen nicht nur die Personal- und Ressortfragen, sondern vor allem ein Koalitionsvertrag, mit dem Kontinuität und Berechenbarkeit der Fraktionsarbeit gesichert werden soll. Kein Wunder, daß SPD-Sprecher Kohlhof die „härteste Runde“ der Koalitionsverhandlungen voraussah und mit einer Sitzung bis tief in die Nacht rechnete. Kein Wunder aber auch, daß im Verlauf der Beratungen über den Koalitionsvertrag die Diskussionsteilnehmer scharenweise und kopfschüttelnd zum Luftschnappen herauskamen, bevor sie sich wieder in das Gerangel um einzelne Sätze stürzten - zu umstritten war das Problem, wie das Verhältnis zwischen den Fraktionen und dem übergeordneten „Koalitionsausschuß“ gestaltet werden sollte. Am Rande wurde bekannt, daß Rechtsanwalt Geulen als Umweltsenator nicht zur Verfügung steht - nicht aus politischen Gründen, sondern wegen seiner anhaltenden Belastung durch Umweltprozesse.

Gerade dem Ressort für Stadtentwicklung und Umweltschutz Fortsetzung auf Seite 2

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hatte der Delegiertenrat der Alternativen Liste in Berlin am Mittwoch abend oberste Priorität eingeräumt, als es darum ging, Ressort- und Personalwünsche anzumelden. An zweiter Stelle folgte das Ressort Jugend, Familie und Frauen, vor Verkehr und Betriebe, gefolgt von Schule und Sport. An fünfter Stelle - damit bereits nur mit bescheidenen Realisierungschancen - wurde das Ressort Justiz angesiedelt, auf Platz sechs folgte Gesundheit und Soziales vor der Kultur.

Maximal vier Senatsressorts wird die Alternative Liste aufgrund der

Stimmenverhältnisse in der zukünftigen Koalition beanspruchen können - die SPD will nicht mehr als drei zugestehen. Es gilt als unwahrscheinlich, daß die SPD auf Verkehr und Betriebe verzichten wird. Erhielte die AL vier Senatorensitze, käme dann doch noch das Ressort Justiz in Frage - ein eventueller Justizsenator Ströbele hat sich bereits als rotes Tuch für Eberhard Diepgen erwiesen, der gegen einen „Terroristenanwalt“ auf diesem Posten ein Volksbegehren in Aussicht stellte. Die Verhandlungsführer von SPD und AL, Momper und Ströbele, hatten diese Aussage Diepgens spöttisch kommentiert mit den Worten, damit habe Diepgen wohl sein Pulver verschossen. Der noch Regie

rende Diepgen hat inzwischen auch einen Rückzieher gemacht und ein Volksbegehren mit dem Ziel Neuwahlen als nicht mehr „aktuell“ bezeichnet. Der Debatte um die Ressortansprüche im Delegiertenrat ging ein Streit über die bisherigen Verhandlungsergebnisse voraus. Kristallisationspunkt für die Kritik war der enge Zeitrahmen. Schon am Wochenende muß die Mitgliedervollversammlung entscheiden, ob sie aufgrund der Ergebnisse die Koalition mit der SPD will. Ein Antrag auf Verschiebung der MVV - das 200 Seiten starke Koalitionspapier liegt den Mitgliedern noch gar nicht vor wurde mit nur knapper Mehrheit abgelehnt.

Unmut rief bei den Delegierten auch

die Vereinbarung zwischen AL und SPD über das Procedere der Zusammenarbeit in einer Regierung hervor. Der sogenannte „Koalitionsausschuß“, in dem alle Initiativen beider Parteien abgestimmt und Konflikte ausgetragen werden sollen, wurde als Ausdruck eines „Knebelvertrags“ empfunden.

Die Partei solle zukünftig die öffentliche Auseinandersetzung in der Stadt führen, forderte der Ex -Abgeordnete Volker Härtig. Und die Verhandlerin Renate Giese stellte ebenfalls klar, daß der „Knebelvertrag“ schließlich nur die Fraktion kneble. Sie sieht die Chance, daß jetzt die außerparlamentarische Initiative gestärkt werden könne: „Wir sind jetzt gefordert.“