MOLOCH TOURISMUS

■ Vielbegehrter Strohhalm der Entwicklungsländer

Während immer mehr Länder der Dritten Welt nach dem Strohhalm Tourismus greifen als Allheilmittel gegen Schulden - und Wirtschaftsmisere, IWF und Weltbank die Tourismusentwicklung vieler Länder fördern (Beispiel Türkei und Togo), wird der Tourismus bei Verschuldungsdebatten kaum beachtet. Die Bundesrepublik und Japan eifern mit der Erstellung von Tourismusmasterplänen, doch der Nutzen dieser ungebremsten Expansion, dieser oft nur tröpfelnden Devisenquelle, wird in der Öffentlichkeit und den Köpfen der Verantwortlichen kaum in Frage gestellt. Wem nützt der Tourismus, so der Titel einer Veranstaltung des Bildungswerks für Demokratie und Umweltschutz auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB). Der Untertitel, ob Tourismus den Entwicklungsländern aus der Schuldenkrise helfen kann, erhielt auf dem Podium ein klares Nein.

Die Verschuldung, so betonte der Wirtschaftler Wolfgang Menck, werde nicht durch Devisen gelöst. Notwendig sei vielmehr eine Strukturanpassung, Sparen und Investitionen. Tourismus ist zunächst eine kostspielige Investition (Hotels, Infrastruktur etc.), die auf langfristige Erträge abzielt. Floriert das Geschäft, fließen auch die Devisen rasch, doch sie fließen genauso rasch wieder ab. Bis zu 81 Prozent der Kosten einer in der BRD gebuchten Reise, bleiben in der BRD. Das bereiste Land verdient häufig, abhängig davon, wie groß die Beteiligung internationaler Konzerne ist, nur einen verschwindend geringen Teil daran.

Gegenüber den skeptischen Beiträgen der einheimischen Podiumsteilnehmer, die sich allerdings eher theoretisch mit dem Problem Tourismus auseinandersetzen, plädierten die Vertreter der Karibischen Tourismusorganisation für diese Industrie mit dem schlichten Argument: es bliebe keine andere Wahl. Die schlechten Handelsbedingungen für Rohstoffe, die Ölkrise und Importabhängigkeit, diese negativen strukturellen Voraussetzungen öffnen dem Urlaubsbusiness Tür und Tor.

Und selbst Fidel Castro weiß aus diesem Grund das Geschäft zu schätzen. Der im Februar unterzeichnete Zusammenschluß der karibischen Inselstaaten zu einer einheitlichen Tourismusorganisation zielt immerhin darauf ab, die nationalen touristischen Strukturen zu stärken, den eigen Agrarsektor auszubauen und durch gezielte Zusammenarbeit die schwächeren Staaten, z.B. im Marketing, zu unterstützen. Kreative Wege müßten eingeschlagen werden, betonte Auliana, von der karibischen Organisation. Es nütze nichts, über internationale Machtverhältnisse zu jammern, vielmehr müsse man alles versuchen, um die eigenen Wirtschaftsbereiche zu fördern, die natürlichen Ressourcen zu erhalten und die kulturelle Integrität zu bewahren. Eine hehrer Anspruch angesichts dieses knallharten Industriezweigs, aber der einzig praktikable Veränderungsansatz.

Der dynamische Moloch Tourismus läßt sich zumindest das nächste Jahrzehnt kaum aus der Welt diskutieren. Wenn ein sozial- und umweltverträglicher Tourismus in Ländern der Dritten Welt praktiziert werden solle, so könne er jedoch nie zur Schuldenrückzahlung genutzt werden, betonte Mechthild Maurer vom IZ 3W Freiburg. Die Erträge müßten für Investitionen in anderen Wirtschaftsbereichen verwendet werden, ansonst führe er nur in weitere Abhängigkeit.

Man war sich einig, daß lokaler Einfluß und Entscheidungsträger gestärkt werden müßten. Qualifizierung der lokalen Tourismusindustrie und Anpassung an regionale Strukturen wurde gefordert. Welchen Sinn es mache, wenn 50 Leute eine Computerausbildung haben, fragte ein Diskussionsteilnehmer. Tourismus sei und bleibe eine neokolonialistische Veranstaltung. Er fand die Diskussion verlogen, da es um klare imperialistische Machtverhältnisse gehe. Ein sicher richtiges fundamentalistisches Statement, doch was sollen die Länder, die auf ihren ungleich wertloseren Kaffee- und Bananensäcken sitzen, letztendlich damit anfangen. Es hilft auch nicht weiter, wenn sie wissen, daß nicht sie die Verschuldung verursacht haben. „Es nütze den Ländern der Karibik wenig, über Machtverhältnisse zu klagen“, ein wahrer Satz. Konstruktiver als über die richtige Grundsatzfrage ist es allemal, über neue Wege, qualitative Veränderungen und konkrete Maßnahmen zu diskutieren, wie der nun mal existierende touristische Realismus zum größten Nutzen und geringsten Schaden der Entwicklungsländer benutzt werden kann. Die Weltwirtschaftsordnung wird nicht auf der ITB verändert.

Edith Kresta