Pkw-Salon im autoverpesteten Genf

„Das Auto im Dienste des Menschen“ ist auf dem 59.Genfer Autosalon im Einheitslook zu bewundern Greenpeace-Protest gegen Auto-Verherrlichung / 1.200 Blechkisten und eine umwelttechnische Innovation  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Die Montblanc-Brücke ist an diesem Morgen noch verstopfter als an normalen Tagen. Zu den 50.000 Berufspendlern, die tagtäglich im eigenen Vehikel das Nadelöhr über die Rhonemündung überqueren, kommen seit letzten Mittwoch Tausende von Besuchern des 59.Genfer Autosalons. Außerdem „stört“ Greenpeace den Innenstadtverkehr mit einer „Aktion gegen die Verherrlichung“ des liebsten Kindes auch der Eidgenossen.

Die Pkw-verpestete Stadt - mit 160.000 Autos auf 300.000 Einwohner, darunter überdurchschnittlich viele platzraubende Riesenschlitten US-amerikanischer und europäischer Produktion der 100.000 UNO-MitarbeiterInnen - befindet sich, wie jedes Jahr um diese Zeit, im Autofieber. Und mit ihr die ganze Schweiz, in der 1988 bei einem Bestand von jetzt 2,8 Millionen Motorfahrzeugen 320.000 importierte Neuwagen verkauft wurden. Über 300.000 Eidgenossen leben von Reparatur und Wartung sowie Verkauf von Autos und Zubehör.

„Die wichtigste Autoshow der Welt mit dem größten Markenangebot in ganz Europa“, tönt stolz der Touring-Club der Schweiz. „1.200 Marken aus 30 Ländern, 350 Aussteller auf 71.000 Quadratmetern, 32 Welt- und Europaneuheiten und 56 Schweizer Premieren“, verkündet die Pressemitteilung der Veranstalter. Und wie eine Entschuldigung an die Männerwelt wirkt ihre Begründung für das Motto des diesjährigen Hochamts der Fans von Flitzern und Einspritzern, Kabrios und Karossen, Mädchen und Modellen: Das Wort „Mensch“ sei „natürlich bewußt gewählt“ worden, denn „nicht nur die Männer, sondern auch immer mehr Frauen wüßten die Mobilität und Unabhängigkeit, die nur das Auto bieten kann, zunehmend zu schätzen“.

Genfs Lokalblätter und Radiostationen sind seit Tagen zu Public-Relations-Instrumenten der Autoindustrie verkommen. Alain Delon und andere Stars und Sternchen, die um den Genfer See ihre Villen und Chalets haben, lassen sich gerne zur Produktwerbung einspannen. Leichtbekleidete junge Frauen, auf Kühlerhauben und Stoßstangen thronend, blicken einem von Plakatwänden entgegen.

Auch sonst kaum Neues auf einer Veranstaltung, die immerhin einmal den Anstoß für den Katalysator gegeben hat. Es sei denn, mensch interessiert sich für die Erfindung des nabenlosen Rades oder die jüngsten Oberklassenschlitten aus Untertürkheim, Turin, Göteborg oder München. Die Modelle der verschiedenen Hersteller sehen sich - mit Ausnahme der schwedischen Sicherheitsstahlkarossen - immer ähnlicher.

Auch die japanischen Produzenten, früher einmal für den Bau preiswerter und in Technik und Leistung für den normalen Alltagsgebrauch völlig ausreichender Autos bekannt, haben sich diesem Trend angepaßt: In Genf fallen sie vor allem durch die Präsentation hochgezüchteter Sportwagen und Cabriolets auf.

Europas Automobilhersteller Nr.eins aus Turin demonstriert auf seinem Stand die Ersetzbarkeit des Menschen: Roboter führen den kompletten Bau des Kleinwagens mit dem Bärennamen vor.

Auch die Leute aus Göteborg, wo die Autos zum Teil noch ohne Fließband von richtigen Menschen zusammengesetzt werden, führen stolz die „Versuchspuppe mit allen menschlichen Eigenschaften“ vor. Nicht nur zum Crashtest eignet sie sich, sondern dank einer der menschlichen Haut ähnlichen Oberfläche und komplizierter Meßgeräte im Innern auch zur Bestimmung der angenehmsten Wageninnentemperatur. Das ist natürlich von existentieller Bedeutung für die Nobelkarosse, in der nicht nur die Sitze, sondern auch das Lenkrad beheizt werden können.

Aus der „guten alten Zeit, als das Automobil noch Eleganz in Bewegung und nicht nur lediglich ein Transportmittel war“, stammt das mit knapp einer Million Mark teuerste Vehikel des diesjährigen Salons: ein Nachbau des „Classic Tiffany“ der Weltfirma, die in Genf zugleich das in Köln gebaute neueste Modell ihres Kleinwagens vorstellt. Gleich nebenan und von den PS-gierigen Besuchern weitgehend übersehen, findet sich das einzige Angebot, das aus umwelt und verkehrspolitischen Gesichtspunkten den Begriff „Innovation“ verdient - einmal vorausgesetzt, mensch hält die völlige Abschaffung des Autos nicht für wünsch- und/oder durchsetzbar. „Diavolino“, Teufelchen, heißt das Modell, 460 Kilo schwer und mit 2,30 Meter kaum länger als ein Motorrad. Gebaut von einem Schweizer Tüftler, fährt es mit zwei Zylindern und 340 Kubikzentimetern 40 Stundenkilometer und verbraucht 3,5 Liter bleifreies Benzin auf 100 Kilometer.

In der Schweiz darf der nur mit der allernotwendigsten Technik ausgestattete „Diavolino“ auch schon von 16jährigen mit Mopedführerschein gefahren werden. Doch zum Erstaunen des Herstellers wurden die meisten der bislang 378 produzierten Exemplare von älteren Menschen gekauft, die nur diesen Führerschein haben, sich bei dem heutigen Rowdytum auf den Straßen aber nicht mehr auf ein Moped trauen. Rostprobleme gibt es bei dem vollständig aus Kunststoff gefertigten Vehikel nicht. In diesem Jahr sollen in Stuttgart 20.000 Exemplare für den bundesdeutschen Markt gebaut werden, auch in einer etwas stärkeren Version mit 18 PS, 700 ccm und 90 Kilometer Höchstgeschwindigkeit.