Zeit ist Geld, oder?

■ Der Tarifstreit in der Druckindustrie ist beendet

Der Tarifkonflikt in der Druckindustrie hat einige innenpolitische Kontroversen thematisiert, sie über die öffentliche Debatte hinaus zum Maßstab sozialer Kräfteverhältnisse in der Bundesrepublik gemacht: Sicherung des Wochenendes bei insgesamt sinkender Wochenarbeitszeit, Absicherung von ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen, Abwehr der von Staats wegen durch die Steuerreform betriebenen Umverteilung von unten nach oben. Daraus gewann der Tarifkonflikt seine Brisanz. Im Frühjahr 1990 stehen bei der Tarifauseinandersetzung der Metallindustrie wieder die gleichen Themen an. Insoweit war der Druckerstreik 1989 ein Kräftemessen vor der eigentlichen gesellschaftlichen Kraftprobe im nächsten Jahr.

Das Ergebnis kann sich, nach den eigenen Prioritäten der IG Druck und Papier, sehen lassen. Nichts demonstriert dies deutlicher als der offenkundige Streit im Arbeitgeberlager, der im Verbandsaustritt von Gruner & Jahr gipfelte. Für jene Beschäftigten der Druckindustrie, die nicht in der aktuellen Zeitungsproduktion arbeiten, wurde das „lange Wochenende“ tarifvertraglich zum Gesetz erhoben. Die Absicherung der Teilzeitarbeitsverhältnisse wurde zumindest eingeleitet.

Damit ist aber keineswegs die Frage entschieden, wer das Verhältnis von Arbeits- und Freizeit in dieser Gesellschaft definiert. Die Unternehmer mit ihrem Bestreben, die Verteilung einer insgesamt verkürzten Wochenarbeitszeit von allen tariflichen und gesetzlichen Bindungen zu lösen, finden ihre Grenze in der Macht der Gewerkschaften. Die haben sich, in Antithese zu Lafontaine und anderen, auf das „lange Wochenende“ als allein seligmachende gesamtgesellschaftliche Zeitstruktur festgelegt. Die Diskussion darüber ist, das läßt sich schon jetzt voraussagen, noch längst nicht zu Ende.

Martin Kempe