„Was uns schmerzt, ist der Verkehr“

Die AL-Abgeordnete Renate Künast, Mitglied der Verhandlungskommission, zum Ergebnis der Ressortverhandlungen / „Dreieinhalb Ressorts ist ein guter Kompromiß“  ■ I N T E R V I E W

taz: Umwelt, Familie/Frauen und Schule für die AL. Können Sie mit dem Erreichten zufrieden sein?

Renate Künast: Wir sind mit der Forderung nach vier Ressorts in die Verhandlungen gegangen und kommen mit dreieinhalb raus. Dreieinhalb, weil der Bereich Jugend & Familie durch eine zweite Staatssekretärin für Frauen verstärkt wurde. Das ist ein guter Kompromiß.

Es geht nicht nur um Quantitäten. Die großen Ressorts Wirtschaft, Finanzen, Inneres, aber auch die wichtigen Bereiche Verkehr, Gesundheit und Baupolitik liegen durchweg bei der SPD. Das sieht erst mal dürftig aus für die AL.

Daß wir die Wirtschaft nicht als Ressort bekommen, das war doch nach den Auseinandersetzungen der letzten Wochen klar. Hier will die SPD natürlich Berechenbarkeit demonstrieren. Aber grundsätzlich: Bei der Bewertung ist für uns wichtig, daß wir diejenigen Ressorts erhalten wollten, die den Kern unserer politischen Identität betreffen. Also Stadtentwicklung/Umwelt, das einen hohen Stellenwert hat, das Ressort Jugend & Familie, mit dem wir uns die Frauenzuständigkeit gesichert haben. Hier können wir mit dem Antidiskriminierungsgesetz eine Vorreiterinnenrolle für die gesamte Bundesrepublik übernehmen. Die Kinder-, Jugend- und Bildungsarbeit - alles wichtige Politikfelder - gehören ebenfalls zu diesem Ressort. Und als drittes war für uns auch der Bereich Schule ein hochdotiertes Ressort.

Trotzdem: Wenn man den Output mal mit den Ressorts vergleicht, die zum Beispiel die FDP in Hamburg und Bonn besetzt hält oder auch in Berlin innehatte, ist das Ergebnis eher mau.

Bei den Ressorts Finanzen, Wirtschaft, Inneres war es uns vorher klar, daß wir da keinen Zugriff erhalten. Die Justiz als weiteres klassisches Ressort hätten wir vielleicht besetzen können. Aber diesen Bereich hat unser Delegiertenrat eben nur an die fünfte Stelle gerückt. Was uns viel mehr schmerzt, ist der Verkehr. Hier haben wir Bedenken gegen den jetzigen Ressortzuschnitt. Das ist der eigentliche Wermutstropfen.

Der SPD-Rechte Horst Wagner soll Verkehrssenator werden. Unsere Leser würde interessieren, wie der ökologische Umbau mit einer solchen Personalentscheidung realisiert werden soll?

Bei der jetzigen personellen Besetzung und dem Zuschnitt des Ressorts rechnen wir natürlich nicht mehr mit den großen Umwälzungen. Andererseits ist das beschlossene Sachpaket, auf das wir die SPD festnageln werden, mit einem Mann wie Wagner leichter durchsetzbar. Aber wir haben hier schon einige Zweifel. Die SPD wird zeigen müssen, daß sie in diesem Großressort Verkehr, Arbeit und Betriebe der Ökologie genügend Stellenwert einräumt.

Die Angst der SPD vor der AL, vor ihrer viel zitierten „Politikunfähigkeit“, und das Trommelfeuer der CDU - haben diese Faktoren nicht doch zu einem Machtverlust für die AL geführt?

Nein, das glaube ich nicht. Wir haben uns zwar beim Verkehrsressort nicht durchsetzen können, aber sonst stimmt das Ergebnis mit unserer Prioritätenliste überein. Den Versuch der SPD, unsere Ressorts zu verkleinern, z.B. die räumliche Entwicklungsplanung beim Umweltressort rauszunehmen oder den Sport bei der Schule - den haben wir als Zumutung empfunden, und das haben wir uns zurückerkämpft.

Interview: Manfred Kriener