Budget für ein Känguruh

„Jede Wohnung, die wir bauen, ist eine Stimme weniger für die 'Republikaner‘.“ Walter Momper weiß, daß der Erfolg seiner „neuen Politik“ damit steht und fällt, ob sie die drängendsten materiellen Probleme der Bevölkerung lösen kann. Entsprechend ehrzgeizig sind die Ziele, die sich beide Parteien in ihrer Koalitionsvereinbarung gesteckt haben.

Mit einem Sonderprogramm „Arbeit und ökologischer Stadtumbau“ will die rot-grüne Regierung die Arbeitslosigkeit senken. Die Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst soll voll durch neue Stellen ausgeglichen werden. Der designierte SPD-Bausenator Nagel hat sich vorgenommen, mit pro Jahr 7.000 neuen Wohnungen die Wohnungsnot zu lindern. Die Hochschulen sollen finanziell besser ausgestattet werden, und im Bereich Gesundheit und Soziales werden Strukturverbesserungen angepeilt. Das alles kostet Geld - und nicht zu knapp.

Doch um das Problem, wie ihre politischen Aushängeschilder zu finanzieren sind, hat sich die Finanzkommission der Koalitionspartner weitgehend gedrückt. Zwar wurde entschieden, die gute Milliarde, die allein im Jahr 1990 zusätzlich auf den Finanzsenator zukommen wird, zum Teil durch Neuverschuldung zu bereinigen (200 bis 350 Millionen Mark). Der Löwenanteil aber, mehr als zwei Drittel, soll durch Einsparungen in anderen Ressorts aufgebracht werden. Wo aber und wieviel jeweils gekürzt werden soll, das steht nicht in der Koalitionsvereinbarung.

Einen „finanzpolitischen Trümmerhaufen“ nannte das in der letzten Woche der noch amtierende Finanzsenator Rexrodt (FDP). Er schimpfte auf die zusätzliche Verschuldung, verschwieg allerdings, daß er seinem Nachfolger eine im Haushalt nicht ausgewiesene Deckungslücke hinterläßt, die nach Angaben der AL 600 Millionen hinterläßt. Verantwortlich dafür ist unter anderem der Bund, der einen um 65 Millionen geringeren Zuschuß an das Land Berlin ausgewiesen hat als im Berliner Haushalt veranschlagt worden war.

Hier heißt es nachbessern, doch ob der zukünftige SPD -Finanzsenator bei seinem im Sommer fälligen Gang nach Bonn erfolgreicher sein wird als sein FDP-Vorgänger'ist mehr als fraglich. Wenn die konservative Koalition ein Interesse hat, das rot-grüne Experiment zu gefährden, so sitzt schließlich hier ein wirkungsvoller Hebel.

Das große Wehklagen der Unternehmer über „unsichere Rahmenbedingungen“ für ihre Berlin-Investitionen dagegen ist völlig verfehlt. Das Berlinförderungsgesetz, eine Ansammlung von Subventionen für Unternehmer und Arbeitnehmer, wird entgegen den AL-Forderungen - nicht geändert. Im Koalitionspapier ist lediglich ein Prüfauftrag über seine Effizienz vorgesehen.

Wer auf der Suche nach „Sollbruchstellen“ im rot-grünen Bündnis ist - spätestens bei den Haushaltsberatungen im Sommer dieses Jahres wird er fündig werden. Wenn nach der Osterpause im Abgeordnetenhaus die Beratungen über den Finanzbedarf der kommenden Jahre beginnen, wird sich so manche hoffnungsvolle Erwartung in einen entsetzten Aufschrei verwandeln. Denn gekürzt werden kann - laut Koalitionspapier - außer bei den Schwerpunktbereichen überall. Bei den Zuwendungen für Sozialhilfeempfänger genauso wie beim Topf des Kultursenators. Die Finanzexperten haben sich zwar darauf verständigt, nicht nach dem umgekehrten Gießkannenprinzip Gelder zu streichen, doch treffen wird es trotzdem alle. Dann erst wird sich erweisen, ob die rot-grüne Euphorie der Hoffnung auf einen großen Brocken aus dem Fleischtopf entsprungen ist oder ob die Vernunftehe SPD/AL dann ein Känguruh zur Welt bringt. Das kann bekanntlich auch mit leerem Beutel große Sprünge machen.

Brigitte Fehrle