WAA-Sonderrechte für Polizeizeugen

Grüne und Rechtsanwälte legen Protokoll eines Treffens zwischen Polizei und Justiz vor  ■  Aus München Luitgard Koch

Mit Sonderrechten will die bayerische Justiz Polizeibeamte ausstatten, die als Zeugen bei WAA-Prozessen auftreten. Nach Angaben der bayerischen Grünen wurde dies bei einem Treffen der Generalstaatsanwälte von München, Nürnberg und Bamberg, einem Vertreter des bayerischen Justizministeriums und einem selbst an WAA-Verfahren beteiligten Richter am 26. April 1988 in Nürnberg beschlossen. Das bayerische Justizministerium war vertreten durch Ministerialrat Rohlff. Die Verteter der Verteidigung fehlten bei der Besprechung. In dem Sitzungsprotokoll heißt es, ein Polizeibeamter, der sich nicht mehr an Einzelheiten des Falles erinnere, müsse vor seinem Auftritt vor Gericht die bei seiner Behörde vorliegenden Akten einsehen können.

„Unsere Vermutungen, daß angesichts solcher Großprojekte wie der WAA alle rechtsstaatlichen Grundsätze außer acht gelassen werden, bestätigen sich hier aufs Schlimmste“, stellte gestern der Münchner Rechtsanwalt Hartmut Wächtler fest.

Um das Erinnerungsvermögen des Polizisten aufzufrischen, soll er, laut Protokoll, die „bei seiner Behörde zugänglichen Akten“ einsehen dürfen. Nach der Strafprozeßordnung jedoch hat nur der Strafverteidiger Akteneinsichtsrecht, keinesfalls eine Privatperson. Nicht nur seine Aussage soll der Polizeibeamte in den Akten studieren dürfen, sondern auch diejenigen, die „seine eigenen Aussagen, die er im Ermittlungsverfahren getätigt hat, betreffen“. „Das geht eindeutig über das rechtlich Zulässige hinaus“, stellte der grüne Landtagsabgeordnete und Fraktionssprecher Hartmut Bäumer fest. Er wies auf eine weitere Merkwürdigkeit im Protokoll hin. Dort heißt es: „Keinesfalls darf sich ein Zeuge auf Unterlagen beziehen, die der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht nicht bekannt sind, z.B. rein innerdienstliche Stellungnahmen.“ Solche Unterlagen müßten jedoch ebenfalls bei Gericht vorgelegt werden. Damit die Polizisten auch unbesorgt aussagen können, bemühen sich die Sitzungsteilnehmer, ihnen einen Freibrief auszustellen. So soll nach Ansicht des anwesenden Generalstaatsanwalts Froschauer die Niederschrift einer polizeilichen Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung nicht als Grundlage für eine Anklage wegen Falschaussage ausreichen.

Grüne und Rechtsanwälte kritisierten gemeinsam diesen „Verfall rechtsstaatlicher Sitten“.

Nach Ansicht von Hartmut Bäumer sollen damit Aussagen von Polizeibeamten aufeinander abgestimmt werden, damit es im Prozeß gegen WAA-Gegner keine Widersprüche gebe. Ein faires Strafverfahren werde damit unmöglich gemacht. Das Papier dokumentiere den totalen Verlust des Gewaltenteilungsprinzips und die Gleichschaltung aller staatlichen Bereiche in Bayern einschließlich der Justiz.