Europart im tiefen Schuldental

■ Managermodell in den früheren Nordmende-Hallen gerät ins Schlingern / Banken fürchten um ihre Kredite / Erste Entlassungen geplant / Steigt das Land mit mehr Kapital ein?

Welche junge Mutter, will riskieren, daß ihr Baby Blausucht bekommt, oder gar Krebs? Keine! Aber wie kann sie wissen, ob das Wasser, mit dem sie gerade die Flaschennahrung anrührt, nicht mit Nitrat vergiftet ist? Einfach selbst prüfen, mit einem Testgerät der Bremer Firma Europart! Ganz unverblümt spricht der Werbespot, der zur Zeit über den Nürnberger Privatsender „Radio Aladin“ läuft, die Angst der Mütter um die Gesundheit ihrer Babys an. Im Raum Nürnberg läßt Europart zur Zeit die Marktchancen des neuen Produkts erforschen. Kosten: Mehr als 100.000 Mark. Verdient hat die Firma an dem Aqua-Tester noch nichts, ebensowenig wie an ihren anderen neuen

Produkten.

Ob nun die Pleite droht, sollte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Treuarbeit“ im Januar herausfinden - auf Antrag der Gläubigerbanken, die wissen wollten, wie kreditwürdig die Firma noch ist. Bei einem Grundkapital von nur zwei Millionen Mark hat sie für rund zehn Millionen neue Maschinen und Ausrüstungen gekauft. Auf Pump. Erstes Krisenzeichen, das öffentliches Interesse auf das Industrie-Experiment in Bremen-Hemelingen lenkte: Die Geschäftsleitung will 44 ArbeiterInnen entlassen. Über die Modalitäten verhandelt sie mit dem Betriebsrat. (vgl. taz vom 28.2.)

Beteiligt ist auch der Bremer

Senat, denn über die landeseigene Gesellschaft Hibeg hält er fast 25 Prozent des Grundkapitals. Zwischen der Hibeg oder der Europart-Geschäftsführung laufen Gespräche, über die bislang strenges Stillschweigen bewahrt wurde. Dem Vernehmen nach geht es um eine stärkere Kapitalbeteiligung der Hibeg.

Europart blieb übrig, als der staatliche französische Elektronik-Konzern Thomson-Grand-Publik sich vor anderthalb Jahren aus der Bundesrepublik zurückgezogen hatte. Tausende ArbeiterInnen wurden entlassen. In Bremen ließ sich die Thomson-Konzernspitze von Senat und IG Metell zu einer ungewöhnlichen Lösung überreden: Sie beteiligte

sich zu 25 Prozent an einer Nachfolgegesellschaft, die mit einer bunten Produktpalette das Überleben versuchen sollte. Thomsons Partner in der neuen GmbH wurden neben der landeseigenen Hibeg sechs Manager aus den bundesdeutschen Werken des Konzerns. Ihnen gehörten zusammen 51 Prozent des Kapitals. Wie die Kapitalisten der Gründerzeit sind sie heute Chefs und Besitzer zugleich.

Die Nachfolgegesellschaft übernahm 510 ArbeiterInnen, 280 ehemalige Thomson-Beschäftigte flogen, verpackt in einen großzügigen Sozialplan, im Oktober 1987 raus. Die neue „Europart Elektronic- und Kunststoffwerde GmbH begab sich auf

der Suche nach Marktlücken bis nach Singapur, wohin Kabelbäume verschickt und dann in Videorecorder für den US und EG-Markt eingebaut werden.

Die größten Verluste, so Firmenchef Zemitzsch, seien jetzt entstanden, weil die Belegschaft, jahrelang auf die Produktion nur von Fernsehern eingefahren, sich auf neue Produkte habe umstellen müssen. Dennoch glaubt er an die Zukunft seines Betriebes. So hätten er und seine Vorstandskollegen erst im vergangenen Monat 20 Prozent des Grundkapitals von Thomson übernommen. Die dafür erforderlichen 400.000 Mark stammen nicht nur aus dem Sparstrumpf der Manager, sondern auch aus Bankkrediten.

mw