Rotation ohne Rotationsbeschluß

■ Anni Ahrens, grand old lady der Bremer Anti-AKW-Szene, rückt auf Fücks‘ MdBB-Sitz hier bitte das AKW-Foto

Als das AKW-Esenshamm in Planung ging, ging auch Anni Ahrens - aus der SPD Foto: Katja Heddinga

Einmal war sie schon fast mit Sitz und Stimme in der Bremer Bürgerschaft. Als am Abend des 13. September 1987 - die Wahllokale hatten kaum geschlossen - die ersten Hochrechnungs-Tortenschlachten über die Bildschirme flimmerten, hatten die Grünen noch neun Mandate in der neugewählten Bremer Volksvertretung. Auf Platz neun stand Anni Ahrens, grand old lady der Bremer Bürgerinitiativ -Bewegung, Kern-Kraft-Kritikerin und Cafe-Wirtin im Cinema -Kino.

Während die Grünen im „Modernes“ eine halbe Nacht lang ihren Wahlerfolg feierten, durchmaß Anni Ahrens ein Wechselbad der Wahlprognosen. Am Morgen des 14. September war sie den fast sicher geglaubten Bürgerschaftssitz wieder los. Das amtliche Endergebnis sah definitiv nur noch acht grüne VolksvertreterInnen im Bremer Parlament vor. Anni Ahrens konnte zurückkehren zum Verkauf selbstgezogenen Öko-Gemüses und zum Ausschank heilsamer Kräutertees. Der zweite Anlauf der Alternativen in die Legislative war knapp gescheitert.

Acht Jahre vor dieser Nacht hatte Anni Ahrens den ersten unternommen. Als Spitzenkandidatin der Alternativen Liste trat sie 1979 gegen die damalige Bremer Grüne Liste (BGL) und damit gegen eine ganze Reihe ehemaliger Parteifreunde an. Mit Olaf Dinne, Kopf und Querkopf der BGL, Christine Bernbacher und Peter Willers hatte sie Ende der 70er Jahre gemeinsam die SPD verlassen. Aus Protest gegen den sozialdemokratischen Marsch in den Atom-Staat.

Mit Willers gemeinsam engagierte sie sich im damaligen Zusammenschluß norddeutscher Bürgerinitiativen gegen Atomkraftwerke und für Umweltschutz, der „Bürgeraktion Küste“. Als 1980 in Karlsruhe die Bundespartei der Grünen aus der Taufe gehoben wurde, war auch Anni Ahrens als Delegierte mit dabei.

Nach zwei wohlüberlegten, aber gescheiterten Versuchen, ins Bremer Parlament einzuziehen könnte ein dritter, unvorbereiteter jetzt klappen. Und zwar am heutigen Montag. In ihrer Fraktionssitzung wollen die Grünen heute über die Frage diskutieren, wer für den in den Bonner Parteivorstand abwandernden Ralf Fücks ins Parlament nachrückt. Erste Anwärterin ist laut Wahlliste Anni Ahrens. Zwar hatte die inzwischen 68jährige aus gesundheitlichen und beruflichen Gründen nach den ersten Gerüchten über Fücks bevorstehenden Weggang „mit 90prozentiger Wahrscheinlichkeit“ abgewunken, der zehntplatzierte Jochen Rieß war gedanklich bereits in die parlamentarischen Startlöcher gekrabbelt, inzwischen hat Anni Ahrens sich aber eines anderen besonnen - aufgrund vielfältiger Bitten aus der außerparlamentarischen Alternativszene, wie sie selbst sagt.

Offiziell gefragt hat bislang kein Mitglied der grünen Bürgerschaftsfraktion, ob sie ihr Mandat annimmt. Vorsorglich rief die Kandidatin deshalb in der letzten Woche selbst im Fraktionsbüro an und erklärte, welche Arbeitsschwerpunkte sie innerhalb der Fraktion übernehmen würde. Danach will Anni Ahrens sich in der Bürgerschaft vor allem um Energiepolitik, Gesundheitspolitik und Alternativ -Projekte kümmern. Vorausgesetzt sie nimmt ihr Mandat an.

Ob sie das tut, will sie den Grünen heute selbst offiziell mitteilen. Nach-Nachrücker Jochen Rieß erfuhr allerdings schon gestern, gerade in der Badewanne sitzend, daß er seinen Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bremer Universität wahrscheinlich einstweilen nicht aufgeben muß.

K.S.