Swinging Metropolis

■ 21. Kuddelmuddel Daddeldu

Ein Hammer, vergangenen Montag den Karl „Holzhammer“ Damm zu erfinden, war doch der schöne Herr Dall gemeint. „Dall-As“, nicht „Damm-As“, verstehste!? Namen nämlich sind

-in diesem unserem Zusammenhang - nur dann Schall & Rauch, wenn sie suhlend im Understatement freiwillig unter solcher Plane zusammenrücken, wie geschehen in der etwas durcheinandrigen Geschichte des Kabarettunternehmens, mit dem wir denn diese Darbietungsform vorerst ad acta legen wollen, dem ... jawoll: Schall und Rauch.

Um die Jahrhundertwende bereits bricht Brettlsucht aus. Eine nicht identifizierbare Zunge schüttelt den Reim dazu, bezogen auf die rheinländische Kuhmagd & BrettlNovizin Traudchen Hundgeburth: „Die Magd, die einst Kotlettl briet, die dichtet heut ein Brettl-Lied.“ Es brutzelt - Mahlzeit! im Cabaret zum hungrigen Pegasus, bei den Bösen Buben, in Chat-Noir & Linden-Cabaret, die KicherKüche noch recht französiert, wie an der C-lastigen Schreibweise zu erkennen. Was die dichtenden & interpretierenden Mägde & Knechte angeht, handelt sichs in vielen Fällen um hochkarätig creatives Arbeitsvolk: Claire Waldoff & Otto Reutter sowieso, aber auch die spätere Grande Dame Tilla Durieux & TucholskyFreundin Gussy Holl schangsonieren teils eigenen Stoff, teils den von Egon Friedell, Roda Roda, Leo Fall, Erich Mühsam, Victor Hollaender oder Rudolf Nelson. Als Brettl der Brettl wird gern das Überbrettl gesehen, jedenfalls bezüglich des Zeitfaktors. Schnell & früh gezimmert, gerät es noch im Gründungsjahr 1901 zum Vorüberbrettl. Immerhin holt sich Baron Enrst von Wolzogen Alfred Kerr an die Sezessionsbühne in der Alexanderstraße sowie die simplicissimusischen Überbayern Otto Julius Bierbaum & Ludwig Thoma. Letzterer will auf der Bühne nicht „mit Puppenspielen so tun, als ob er sich beinahe etwas getraut hätte“, sondern „dreinhauen, daß die Fetzen fliegen“. Dem novitätengeilen Berliner ist's genehm, wird die Nachwelt doch überdies dem BrettlBaron bescheinigen, das erste deutsche Chanson zum Vortrag befördert zu haben. Dies äußerst fragwürdige Prädikat verdankt er „Adele, la reine, la blonde“, wie sich die Wiener WabbelDiseuse titulieren läßt. Ach ja, das Chans0n: „Jede Nacht im Separee / Mit feschen Herren ein Souper! / Da schleck ich, bis das Mieder kracht - / Trulala, trulala. / Was glaub'n Sie, wie das glücklich macht!“

Im selben Jahr verpafft Schall und Rauch stärkeren Tobak. Und der verpufft keineswegs. Unter Max Reinhardts Ägide beginnt das Ganze als Eintagskabarett mit einer Benefizveranstaltung für den kranken Stammtischbruder Christian Morgenstern - und wird in der Folge als jener heiße Grundstein gelten, auf dem noch zwanzig Jahre drauf vorbildlich bißfeste Brötchen gebacken werden. Die MorgensternAid schlägt ein, und ab Herbst existiert Unter den Linden die Keimzelle des kommenden ReinhardtImperiums. Er grinst auch im Hintergrund, oder besser obendrüber, als 1919 im Erdgeschoß des Großen Schauspielhauses unter Rudolf Kurtzens Leistung eine neue Schall-und-Rauch-Bühne eröffnet. Ende 1920 folgt Anlauf Nummero Drei; der Direktor stammt aus einem Adelsgeschlecht, das irgendwie bekannt vorkommt: Die Ehre gibt sich Hans von Wolzogen.

Von der Straße sind ab & zu Gewehrschüsse zu vernehmen, und das Ensemble ergreift Partei in Sachen KappPutsch & Revolution. „Sprachrohr des Volkes“ zu sein bleibt allerdings Wunschdenken, trotz engagierter Mitarbeit von Heartfield & George Grosz. Was Wunder, haben doch selbst manche Künstlerkollegen Schwierigkeiten mit der Interpretation „leicht in Fäulnis geratener Verse“ (Tucho über Kumpel Mehring). Jaja, so sind sie, die Literaten jenseits aller bürgerlichen Ränder & Banden. Trefflich packt Conferencier Hellmuth Krüger die verbrettelte Situation in acht bildhafte Zeilen: „Zwölf Leichenwagen fahren vor ein Haus. / Zwölf schöne tote Mädchen steigen aus. / Ein sehr perverser Leichnam gibt ein Fest, / Das sich auf keinen Fall beschreiben läßt. / Bis die Gesellschaft, teil ermattet, teils erregt, / Sich wiederum in ihre Särge legt - / Und auf den Kirchhof fährt, woher sie kam. / Ein wahrhaft toter Mensch kennt weder Zucht noch Scham.“ Ihren Senf dazu geben der trottelige Serenissimus nebst Hofmarschall Freiherr von Kindermann direkt aus der Loge - was die MuppetsOpas Waldorf & Stadler heutzutage dreist plagiieren.

Zwischen Valeska Gerts Groteskadenz & den kokainösen Verrenkungen der Anita Berber „tänzelt“ ein maritimes Original durch Berlins Veranstaltungsorte. Joachim Bötticher heißt der aus Wurzen stammende MöchtegernSchipper, den Walter Mehring aus München mitgebracht hatte. Jochaim Ringelnatz wählte er zum Pseudonym und befleißigt sich eines schaukelnden Seemannsganges - die Bühnenbretter werden zu Schiffsplanken, er selbst zu Kuttel Daddeldu. Bald unentbehrlich der kleinkünstlerischen Szene, tritt er später auch bei der Hesterbergschen auf - gegen Naturalien. Überliefert ist ein Programmpunkt, da der Verseknüpfer seine markante Nase in Richtung Kulisse wendet mit den Worten: „Und jetzt muß mir das p.p. Fräulein Direktor vertraglich neu einschenken, eh‘ ich weiterreden kann.“ Prompt reckt sich deren Arm hervor, das leere Glas zu füllen. „Ringelnatz“, erinnert sie sich, „forderte (...) eine Flasche Wein oder Schnaps, weil er sie für seinen Auftritt brauchte.“ Als weiteres Ritual pflegte er einen Tisch zu zertrümmern, wenn ihm ein Zuruf aus dem Publikum nicht paßte. (Ein leicht zu forcierendes Ereignis - siehe Waldorf & Kindermann.) Doch schon in sel'gen Schall-und-Rauch -Zeiten, am Beginn seines Berliner Siegeszuges, webt er an der eigenen Legende, am Bilde vom bunten Hund, der als Matrose gewandet die Straßen durchmißt, so seine weißen Hemden zu schonen, damit Gattin „Muschelkalk“ daheim in München nicht so viel zu waschen habe. In den Pensionen, die er be- bzw. verwohnt, gibt „Onkel Ringel“ gern anarcho -trächtige Privatvorstellungen zum Gaudium anwesender Kinder. So wässert er vermittels Gießkanne die Blumenornamente im Teppich und klatscht ein Butterbrot aus der flachen Hand senkrecht an die Zimmerdecke, so daß es klebenbleibt. Über die beim Auszug fälligen Renovierungskosten schweigt der Chronist.

Norbert Tefelski