Trübes Wasser im Berliner Untergrund

■ Die Gefährdung des Trinkwassers sickert allmählich in das Bewußtsein der Bevölkerung / „Bildungswerk für Demokratie und Umweltschutz“ informierte drei Tage lang über lauerndes Gift im Trinkwasser / Altlasten als potentielle Brunnenvergifter

„Was trinken wir?“ Assoziieren die meisten Schluckspechte mit dieser Frage eher das Ordern der nächsten Kneipenrunde, so überzeugte am Wochenende das Bildungswerk für Demokratie und Umweltschutz, daß diesem Thema wesentlich ernstere Seiten abzugewinnen sind. „Was trinken wir? Wie gefährdet ist das Berliner Grundwasser?“ lautete der Titel eines Seminars, das die AL-nahe Stiftung drei Tage lang der Berliner Bevölkerung zu Gemüte führte. Mit rund 30 wissensdurstigen TeilnehmerInnen war die Veranstaltung, die im letzten Jahr schon einmal angeboten worden war, relativ gut besucht. Damals hatten sich nur sechs InteressentInnen gefunden, die Näheres über die hiesige Wassersituation erfahren wollten. Sei es durch die verstärkte Aufklärung der Medien darüber, daß Wasser eben nicht so ohne weiteres aus der Leitung kommt, oder zunehmendes Interesse an ökologischen Zusammenhängen - die TeilnehmerInnen des Seminars wollten von den zwei Referenten wissen, was es mit dem Trinkwasser auf sich hat.

Und das war eine ganze Menge: Alexander Böhringer und Reinhard Fetzer, beides Geologen, gaben einen detaillierten Überblick über Grundwasserreservoirs und deren Gefährdung durch Altmülldeponien, Industrieabwässer sowie die im Regenwasser enthaltenen Schadstoffe der Luft. Berlin, so wurde klar, hat im Gegensatz zu anderen Großstädten, wie Hamburg oder Stuttgart, den selbst produzierten Dreck selber auszubaden. Denn: Die 600.000 Kubikmeter Grundwasser, mit denen die Stadt täglich gespeist wird, stammen direkt aus dem Berliner Untergrund und werden nicht, wie andernorts, in Pipelines aus fernen Gegenden importiert. Die Verantwortung, die die Berliner für ihr eigenes Wasser trügen, sei deshalb besonders groß, so Referent Fetzer. Jede Bodenverunreinigung, etwa giftige Altlasten, die langsam in den Boden sickern, sorge für eine Gefährdung der Trinkwasserreservoirs. Deshalb seien, so Fetzer, gerade die 155 Berliner Mülldeponien potentielle Brunnenvergifter. Besonders prekär dabei: Allein 94 Müllkippen liegen im direkten Einzugsgebiet der sieben städtischen Wasserwerke. Wenn diese mit ihren Rüsseln das sogenannte Rohwasser an die Oberfläche pumpten, dann würde das belastete Wasser unterhalb der Deponien sehr schnell in Richtung Pumpe nachfließen. Resultat: Früher oder später ist das Trinkwasser mit Schwermetallen und Chlorkohlenwasserstoffverbindungen (CKWs) verseucht. Bestes Beispiel, so die beiden Wasserexperten, sei die Mülldeponie Wannsee. Dort war vor rund drei Jahren ein Bleigehalt, der dreifach über dem Grenzwert für Trinkwasser lag, gemessen worden. Einzige Lösung des Müllproblems sei, so Fetzer, eine angemessene Deponieabdichtung.

Doch nicht nur Mülldeponien sind für die zunehmende Gefährdung des Berliner Wassers verantwortlich. Wenn, so Fetzer, „nach einem Gewitterregen allein zwölf Tonnen Hundekot in die Regenwasserkanalisation gespült würden, dann könne so mancher Berliner See kaum noch Luft holen.“ Daß sich im Flughafensee nach einem Regenguß plötzlich alle Fische auf die Seite legen, sei schon fast als normal zu bezeichnen. Regenwasser, würde noch immer - im Gegensatz zu den Hausabwässern - zum größten Teil ungeklärt in die Fluten gekippt, erklärte Fetzer.

Wie unterschiedlich die Ergebnisse bei Schadstoffmessungen in den städtischen Gewässern ausfallen können, machten die beiden Geologen am Beispiel Griebnitzsee deutlich. Laut Messungen des Umweltsenats seien in diesem See so gut wie keine Schwermetalle zu finden, ganz im Gegensatz zu den Ergebnissen, zu denen ein TU-Student in seiner Diplomarbeit gekommen war. Der Student hatte Wasserproben nicht nur in lauen Sommermonaten vorgenommen, wie der Senat, sondern auch nach Herbststürmen, wenn Schwermetallablagerungen aufgewirbelt werden. Das Ergebnis des Studenten: „Der Griebnitzsee ist schwer belastet durch Cadmium, Blei, Zink und Kupfer.“

Insgesamt gesehen sei, so zogen beide Referenten ihr Resümee, die Berliner Wasserqualität noch relativ unbedenklich. Wie lange es jedoch noch dauern wird, bis nicht nur die Fische aus der Unterhavel als Sondermüll deklariert werden, wie jüngst geschehen, sondern auch der Mensch bald auf dem eigenen Wasserschlauch steht, diese Frage schwebte auch nach dem Ende der dreitägigen Veranstaltung unbeantwortet im Raum.

cb