Geburtswehen um AL-SenatorInnen

■ Auf der AL-Mitgliederversammlung wurde um KandidatInnen für die Senatorensitze gefeilscht / Unproblematisch war nur der Sitz für Schule und Sport / Knatsch um Kandidatinnen für Frauen, Jugend und Familie / Personalkarussell dreht sich auch im Umweltbereich

Um halb sieben gestern abend trat die Kandidatin für das Amt der Frauensenatorin zurück. Sie stehe, nach dem was alles vorgefallen sei, nicht länger zur Verfügung. Dem vorausgegangen war ein tagelanger Clinch im AL-Frauenbereich und ein Antrag von Udo Knapp, der in letzter Minute eine dritte Kandidatin, die Fraktionsvorsitzende Heidi Bischoff -Pflanz vorgeschlagen hatte. Bis Redaktionsschluß war die Debatte noch im Gange.

Die Wahl der Schulsenatorin war unproblematisch. Im Vorfeld bereits hatte sich der Schulbereich der Alternativen Liste auf KandidatInnen verständigt. Das Doppel Sibylle Volkholz, 44 Jahre, parteilos, mit Boris Fahlbusch als persönlichem Referenten, wurde von Anfang an als Favorit gehandelt. Für Volkholz ging auch Hilde Schramm, Abgeordnete und Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, in die Bütt. Ein „Geschenk“ sei die stellvertretende GEW-Vorsitzende für die AL, „das wir annehmen sollten“. Gewählt wurde sie schließlich gegen das Votum des Jugendbereichs, der sich für die Erziehungswissenschaftlerin Jutta Schöler ausgesprochen hatte. Ihr traue man mehr Integrationsfähigkeit zu. Ausgeschieden auch der Mitbewerber Ulf Preuss-Lausitz. Der neue Staatssekretär in der Schulverwaltung wird Hans-Jürgen Kuhn heißen, bisher Abgeordneter und sportpolitischer Sprecher der Fraktion.

Mit „Intrige“ ist milde bezeichnet, was sich bei der Benennung und Auswahl einer Frau für das Amt der Senatorin für Frauen, Jugend und Familie abspielte. Die AL hatte in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD viel geopfert, um dieses Ressort zu bekommen. Selbst eine zweite Staatssekretärin hatte man den Sozialdemokraten abgetrotzt. Der Streit flammte schließlich im Frauenbereich der Liste auf, als es so schien, als würde in Berlin keine Kandidatin gefunden. Zwei renommierte Professorinnen hatten abgesagt. Die autonome Frauenfraktion reagierte auf den Vorschlag, eine Rechtsanwältin aus Bremen zu nominieren mit der Gegenkandidatur von zwei weiteren Frauen. Anne Klein, 39, Rechtsanwältin und Notarin; selbst bezeichnet sie sich als Feministin und vermutet, daß deshalb ihre Kandidatur „hintertrieben“ werden sollte. Sie ist kein AL-Mitglied. Hannelore May, Kreuzbergerin, ebenfalls parteilos, zog am Sonntag nachmittag ihre Kandidatur zurück.

Auf einer für Freitag abend eilends einberufenen Sitzung des Frauenbereichs bekam die Bremer Anwältin dann eine Abfuhr. Es gebe genügend Berliner Feministinnen, die den Job der Senatorin machen könnten, hieß es, und Helga Hentschel, die für die AL die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten geführt hat, und daraufhin kurzfristig erwog, selbst zu kandidieren, wurde vorgeworfen, alles nur inszeniert zu haben, weil sie selbst auf den Senatorinnenstuhl wolle. Helga Hentschel selbst dementierte diesen Vorwurf. Sie habe immer gesagt, das Amt der Staatssekretärin einnehmen zu wollen. Neben Anne Klein kandidierte am Samstag abend Claudia von Braunmühl. Die Dritte-Welt-Politikerin und Netzwerk-Mitbegründerin hatte sich noch, überredet von Teilen der AL-Frauen, kurzfristig zur Kandidatur entschlossen. Gegen den Widerstand des Jugendbereichs, der ihr vorwarf, sich nicht genügend für Kinder- und Jugendpolitik einzusetzen. Der AL-Frauenbereich gab kein Votum ab. Beide KandidatInnen seien geeignet. Um die Verwirrung komplett zu machen und mit dem Argument, man müsse auch eine Senatorin haben, die AL-Politik vertritt, schlug Udo Knapp die Abgeordnete und Fraktionssitzende Heide Bischoff-Pflanz vor. Die Versammlung wurde unterbrochen, die Abstimmung verschoben.

Ähnlich schnell drehte sich das Personalkarussel beim Umweltbereich. Nachdem der Anwalt Reiner Geulen, Wunschkandidat des Umweltbereichs, abgesagt hatte, sprang Hartmut Gassner, ebenfalls Rechtsanwalt, in die Bresche. Der erst 33jährige gilt als fachkompetent, zwar (noch) unbekannt, aber entwicklungsfähig. Staatssekretär soll Klaus Groth, Ex-Mitarbeiter bei Joschka Fischer in Hessen werden. Als zweite Kandidatin wurde eine Ex-Mitarbeiterin der Grünen in Bonn, Michaele Schreyer, ins Gespräch gebracht. Eine „Oberrealo-Frau“ sei das, meinte Christian Ströbele, und befand sie nicht für geeignet. Ab etwa 15 Uhr am Nachmittag erweiterte sich die Personalliste um Luise Preisler-Holl, ehemalige Abgeordnete.

Die Debatte um die Besetzung des Umweltressorts hatte zu Redaktionsschluß noch gar nicht begonnen. Martin Jänicke, ursprünglich zugunsten von Reiner Geulen zurückgetreten, wurde gestern abend vom Abgeordneten Albert Statz erneut vorgeschlagen. Er wollte allerdings nicht gegen Michaele Schreyer kandidieren. Erst wenn die nicht genügend Stimmen bekomme, sagte Jänicke, würde er zur Verfügung stehen.

bf