Das Geschäft mit dem Hormonskandal

Kälbergroßmäster sollen aus dem Hormonskandal riesige Profite gezogen haben / Bäuerliche Kälbermastbetriebe mußten nach dem Skandal schließen / Großmäster diktierten die Preise  ■  Aus Düsseldorf J. Nitschmann

Die Geschichte klingt nach einem politischen Treppenwitz. Doch für die Tierschützer und Landwirte, die den Düsseldorfer Landwirtschaftsminister Klaus Matthiesen (SPD) wegen dessen umstrittener Rolle bei der Bewältigung des Hormonskandals in der nordrhein-westfälischen Kälbermast am Mittwoch vergangener Woche öffentlich als „Bauernkiller“ anklagten, ist es bittere Realität: Ausgerechnet jene Kälbergroßmäster, die wegen der illegalen Masthilfen im Sommer vergangenen Jahres ins Zwielicht und mitunter sogar in Untersuchungshaft gerieten, sollen aus dem Hormonskandal riesige Profite gezogen und ihre Bestände erheblich ausgeweitet haben.

„Etwa ein Drittel“ der bäuerlich strukturierten Kälbermastbetriebe, so schätzt der Vorsitzende der Erzeugergemeinschaft Weser/Ems, Siegfried Park, ist inzwischen von den Agrarfabriken geschluckt worden. Alleine in der Erzeugergemeinschaft des ostfriesischen Bauers Park haben nach der Aufdeckung des Hormonskandals 14 der insgesamt 39 Kälbermäster an Agrarindustrielle verkaufen oder verpachten müssen, weil sie wirtschaftlich am Ende waren.

Aus dem Zusammenbruch des bundesdeutschen Kalbfleischmarktes haben die Großmäster nach Darstellung von Park „eiskalt Profit geschlagen“ und zahlreiche bäuerliche Betriebe ruiniert. So hätten die Großmäster - als nach der Aufdeckung des Hormonskandals im Bundesgebiet monatelang kein Kalbfleisch mehr abzusetzen war - ihr „alleiniges Vertriebsmonopol“ ins Ausland genutzt und gegenüber den Kleinmästern die Preise diktiert: Statt 9,70 Mark hätten die Landwirte nurmehr 6,30 Mark pro Kilo Kalbfleisch bekommen, während von den Großmästern im Ausland immer noch „um die zehn Mark pro Kilo“ erzielt worden seien. Das von den Großmästern ausgenutzte Preis- und Vertriebsmonopol hatte zu einem doppelten Effekt geführt: Die ohnehin seit Jahren um ihre Existenz ringenden Kleinmäster stürzten vielfach in den wirtschaftlichen Ruin, während die Kälbergroßmäster mit ihren unerwarteten Gewinnen einen Hof nach dem anderen aufkauften und ihren riesigen Agrarfabriken mit der tierquälerischen Boxenhaltung zuschlugen - auf Kosten der artgerechten Tierhaltung und der Fleischqualität.

Sündenbock dieses sicherlich auch für ihn „ungewollten Strukturwandels“ ist in den Augen der Tierschützer und Landwirte der nordrhein-westfälische Umweltminister Matthiesen: Statt effektiv die illegalen Masthilfen zu bekämpfen, habe der Minister die Verbraucher mit einer „pauschalen Angstkampagne“ beunruhigt und „völlig übereilt“ die Tötung von rund 9.000 Kälbern angeordnet, bei denen ungewöhnlich hohe Hormonrückstände festgestellt worden waren. Bis zum heutigen Tage jedoch gebe es für die Notwendigkeit dieser „unglaublich brutalen Tötungsaktion überhaupt keinen seriösen wissenschaftlichen Beweis“, klagen die Tierschützer. Der „Widersinn“ dieser Tötungsaktion sei spätestens offenkundig geworden, als bekannt wurde, daß das Fleisch der getöteten „Hormonkälber“ in den Tierkörperbeseitigungsanstalten im westfälischen Marl und Heek zu Schweinefutter verarbeitet worden sei „und somit wieder in den Lebensmittelkreislauf gelangte“.

Für Matthiesen-Sprecher Thomas König ist diese Behauptung der Tierschützer nicht sensationell: Schließlich sei die Verarbeitung von hormonverseuchtem Kalbfleisch zu Schweinefutter nach den einschlägigen Bestimmungen „absolut zulässig“. Voraussetzung sei allerdings, daß das hormonbelastete Fettgewebe der Tiere vor der Weiterverarbeitung entfernt und dem Schweinefutter weitere Zusatzstoffe beigemischt würden.

Für die empörten Tierschützer und Landwirte hat der Düsseldorfer Landwirtschaftsminister bei der Bewältigung des Hormonskandals schlicht versagt: „Oberflächlich“ sei der Minister über die eigentlichen Ursachen des Skandals hinweggegangen und habe sich schlagzeilenträchtig als „Beefsteak-Khomeini“ aufgespielt; die ohne Not angeordnete Tötungsaktion der Kälber sei „eine reine Profilneurose des Ministers“ gewesen. Unterdessen wurde weiter bekannt, daß es bei der unter Polizeischutz durchgeführten Beschlagnahme und Tötung der hormonverseuchten Kälber offenbar häufiger zu Verwechslungen gekommen ist und am Ende die falschen Tiere in der Tierkörperbeseitigungsanstalt landeten.