Die taz computergerecht ausgeforscht

Datenschutzbeauftragter beurteilt taz-Bespitzelung / Datensammlungen über MitarbeiterInnen „nicht vertretbar“  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Die Bespitzelung der taz durch den Berliner Verfassungsschutz ging „in Quantität und Qualität über das im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip vertretbare Maß hinaus“. Personenbezogene Datenspeicherungen über taz -MitarbeiterInnen „beeinträchtigten deren informationelle Selbstbestimmung auf unangemessene Weise“, erfolgten ohne ordnungsgemäße Durchführungsvorschriften und weitgehend ohne Kontrollmöglichkeiten. Zu diesem Urteil kommt der Abschlußbericht, den der Berliner Datenschutzbeauftragte Hans-Joachim Kerkau am Wochenende im Zusammenhang mit dem Berliner Verfassungsschutzskandal vorgelegt hat. Nach den Erkenntnissen des Datenschützers war die taz - und mit ihr auch ihre MitarbeiterInnen - seit der Gründungsphase im Jahr 1977 „Verdachtsobjekt“ nicht nur des Berliner VS. Auch nachdem die taz in Verfassungskreisen nicht mehr als „Verdachtsfall“ galt, wurden weiter Daten über sie und ihre MitarbeiterInnen gesammelt.

Wieviele tazlerInnen auf diese Weise in den Computern und Aktenhalden des Berliner Verfassungsschutzes landeten, verrät der Bericht nicht. Von rund 20 taz-JournalistInnen jedoch, die offiziell eine Überprüfung beantragt hatten, fand der Datenschutzbeauftragte allein elf mit personenbezogenen Daten in den meterdicken „taz-Vorgängen“ beim Berliner Verfassungsschutz wieder. In einer vierzehnbändigen Sachakte unter dem Titel „Infiltration der Publikation 'Die Tageszeitung'“ waren dort sowohl die Artikel dieser Personen gesammelt als auch Hinweise zu ihnen selbst. Teils stammten diese „Erkenntnisse“ über die tazlerInnen aus der Gründungszeit 1977, teils waren sie nur eineinhalb Jahre alt. Mal hatten Polizei und Meldebehörden den Verfassungsschutz mit Informationen über die Journalisten „gespickt“, mal war es die Staatsanwaltschaft. Die gesamte „Sachakte taz“ wurde aufbewahrt und über das Nachrichtendienstliche Informationssystem Nadis und andere Karteien so erschließbar gehalten, daß jederzeit auf einzelne Personen zurückgegriffen werden konnte. Informationen aus der „Akte taz“ wurden wiederum in Nadis eingespeichert und an das Bundesamt für Verfassungsschutz und andere Landesämter weitergegeben. Mehrere tazlerInnen, die um Überprpüfung ihrer Daten gebeten haben, sind noch heute im Nadis-Computer gespeichert, wobei teilweise frühere politische Aktitiväten wie z.B. die Teilnahme an der Kalkar -Demonstration 1977 Anlaß für die Speicherung waren und die Datensammlung dann mit Hinweis auf die Tätigkeit in der taz fortgeführt wurde.

In fast allen überprüften Fällen entdeckte der Berliner Datenschützer im Nadis-Computer Hinweise darauf, „daß auch andere Verfassungsschutzämter Unterlagen führen“, sprich auch andere Bundesländer haben die taz-MitarbeiterInnenen computergerecht im Visier.

Insgesamt hatte Datenschützer Kerkau die Verfassungsschutzaktivitäten gegenüber 29 Berliner JournalistInnen überprüft, die sich bei ihm über unzulässige Datenspeicherungen beim Verfassungsschutz beschwert hatten. In sechs Einzelfällen machte der Datenschützer über die allgemeinen Datenschutzverstöße hinaus Beanstandungen geltend. Zusätzlich zu den 29 Beschwerdeführern überprüfte Kerkau in 99 von ihm selber ausgewählten Fällen, ob Journalisten in die Datenfänge des Berliner Verfassungsschutzes geraten sind. Dabei ergab sich, daß außer den taz-MitarbeiterInnen zwölf dieser 99 Journalisten ebenfalls mit personenbezogenen Daten gespeichert waren. Bis auf einen Fall, so erklärte Kerkau jedoch jetzt, habe kein Zusammenhang zu der journalistischen Tätigkeit festgestellt werden können. Kerkau „empfiehlt“ dem Berliner Innensenat in seinem Bericht nun, „alle Unterlagen“ in diesem Zusammenhang zu löschen.