Die Senatorin, die vom Damenklo kam

■ Hautnahe Eindrücke von der neuen politischen Kultur oder wie die AL das Frauenressort besetzte

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Trotz zweimaliger Unterbrechung der Kandidatinnenvorstellung für das von der AL eroberte Ressort Frauen, Familie und Jugend gelang es der Alternativpartei, sich bei dieser Prozedur gründlichst zu blamieren. Die Angeschmierten: alle Kandidatinnen, inklusive der zum schlechten Schluß im zweiten Wahlgang mit nur noch 180 Stimmen gewählten Senatorin in spe, Anne Klein.

Was nach Redaktionsschluß am Sonntagabend im ICC passierte, verdient eine eigene chronique scandaleuse. Gegen halb sechs dümpelte die Personaldebatte über die beiden Kandidatinnen für das fälschlicherweise „Frauen“ abgekürzte Ressort - der Jugendhilfebereich hatte da schon erfolgreich gegen seine Abwertung protestiert und Begehrlichkeiten in Richtung Staatssekretärs-Posten angemeldet - vor sich hin. Die beiden Überlebenden des internen Kandidatinnen-Gerangels waren außergewöhnliche Fachfrauen: Claudia von Braunmühl steht für Dritte-Welt-Projekte und Alternativökonomie, Anne Klein ist Anwältin und bekannte Protagonistin der autonomen Frauenbewegung in Berlin. Aber außerhalb der jeweiligen Gruppe von Königin-MacherInnen herrschen Zweifel vor. Das Beziehungsgeflecht derer, die nicht miteinander können, der Bereiche, die gegeneinander konkurrieren und das Verbeißen von Nicht-Berlinerinnen hatte zu einer prima Blockade geführt. Und dann hatte ausgerechnet „Ekel Udo“ Knapp, wie der bekannte Bonner Parteiarbeiter bei den Berliner Freunden genannt wird, entgegen seiner sonstigen Bereitschaft zu Kleinstkoalitionen die vernünftige Massenlinie parat: die Spitzenkandidatin Heidi Bischoff-Pflanz solle allumfassend im Interesse der Partei das Ressort übernehmen, also erstmal kandidieren. Zwei Minuten Ovation, und wenn sie es gekonnt hätten, in diesem Moment hätten die ALer ihre Heidi per Akklamation auf den Schild gehoben. Statt dessen die erste „Auszeit“. Fraktion und GA beraten auf der Empore, heftig gestikulierende Menschen sind aus dem Saal zu beobachten und nach 30 Minuten letztlich eine Absage.

Nach diesem Intermezzo sollte der Einschub der Wahlentscheidung zum Ressort Stadtentwicklung und Umweltschutz für Beruhigung an der Frauenfront sorgen, aber das Gegenteil war der Fall. Anne Klein schmiß der AL den Bettel hin und zog ihre Kandidatur zurück. Claudia von Braunmühl stellte der Mitgliederversammlung auch die Aufgabe, mal klar zu sagen, was die AL tatsächlich will, blieb aber bei der Stange. Totale Hektik brach aus. Ein zweites Mal mußte Anne Klein „Nein“ sagen und ein Vertagungsantrag mit einer echten Nachdenkpause abgeschmettert werden, bevor Birgit Arkenstette eine weitere „Auszeit“ beantragte. Die nutzte sie dann weidlich, um Anne Klein unter Druck zu setzen. Es galt immerhin, die Peinlichkeit der Nicht-Wahl von nur einer Kandidatin zu verhindern. Bedenkzeitforderungen von Anne Klein konterte Frau Arkenstette mit dem Hinweis „und morgen finden wir nirgends einen Saal...“ Saalzwang. Sachzwang. Sich einmischende Zuhörerinnen störten hier erheblich, die Damen wurden unsichtbar.

Als im Saal die Debatte mit dem bahnbrechenden Vorschlag Pieke Biermanns, doch angesichts dieses ganzen Elends dies Ressort an die SPD-Frauen zurückzugeben und dafür was anständiges Neues rauszuschlagen, das auch besetzbar sei, neuen Höhepunkten zutrieb, übernahm Frau Arkenstette endgültig die Regie: „Noch fünf Minuten auf dem Klo“ wären nötig, wo mit Anne Klein verhandelt würde. Was Gerüchte immer schon über den einigenden Ort bei Tarifverhandlungen wissen wollten, entpuppte sich dann als die schiere Wahrheit. Birgit Arkenstette forderte von den Mitgliedern „ein deutliches Zeichen an Anne“ - im Klartext: Klatschmarsch - und beorderte dann „Anne, Anne, komm jetzt her“. Diese konnte sich dem Hilferuf der AL, den Gesichtverlust der Partei doch bitte zu verhindern, nicht länger versagen, aber es brauchte noch eine Nachfrage, ja, sie kandidierte doch. Der Preis ist hoch, wenn eine das Ansehen von so vielen retten soll, im Bereich der „Alt -Parteien“ hätte der „Umfaller„-Vorwurf nicht nur in der Luft gelegen. Nach diesem Opfergang stand dem Wahlgang nichts mehr im Wege.

Bleibt festzuhalten: Auch 15 Jahre Nähe zur autonomen Frauenbewegung schützen nicht davor, auf dem politischen Parkett mit Kandidatinnen genau so blöd umzugehen, wie die Berliner FDP das ein Wochenende vorher mit Carola von Braun vorexerziert hat. Und zweitens: Alternative politische Kultur ist eine schwere Übung. Das derzeitige Entwicklungsstadium scheint noch von dem Motto geprägt: „Was uns nicht umbringt, macht uns stark!“ Von wegen.

Georgia Tornow