Kosovo-Albaner dienstverpflichtet

1.400 Kosovo-Albaner wurden von Behörden dienstverpflichtet, um Bergarbeiter- und Lehrerstreik zu brechen  ■  Von Roland Hofwiler

Berlin (taz) - Seit Montag sind 1.400 Beschäftigte im Kosovo dienstverplichtet. Die Behörden im Kosovo haben am Sonntag beschlossen, mit diesem Mittel die Streiks von 400 Arbeitern in der nahegelegenen Magnesitgrube Goles und einen Streik von 1.000 Lehrern zu brechen. In den nächsten Tagen sollen sogar weitere 10.000 Arbeiter zur Arbeit zwangsverpflichtet werden. Nach „Radio Pristina“ trat somit erstmals seit 1946 der Paragraph 203 der Landesverteidigung in Kraft, der besagt, das „in Kriegs- und kriegsähnlichen Zeiten das Staatspräsidium Jugoslawiens Arbeitsverpflichtungen aussprechen kann“. Weiter heißt es: „Wer diesen Verpflichtungen nicht nachkommt, kann wegen Spionage mit Militärhaft und in schweren Fällen sogar mit dem Tode bestraft werden.“

Die 400 Arbeiter von Goles protestieren seit dem 9.März gegen die Repressionsmaßnahmen der serbischen Behörden gegen die Repräsentanten der albanischen Bevölkerungsmehrheit im Kosovo. Sie fordern, den ehemaligen KP-Chef der autonomen Provinz Kosovo, Azem Vlasi, unverzüglich freizulassen. Vlasi wird in Belgrad dafür verantwortlich gemacht, daß Hunderte von Bergleuten im Bergwerk „Trepca“ vor zwei Wochen einen Hungerstreik duchführten. Ihr Beispiel hatte zu einer breiten Solidaritätsbewegung bei den Kosovo-Albanern bis hin zu einem Generalstreik in der Provinz geführt. Nach wie vor werden Vlasi und die beiden Generaldirektoren der Bergwerke von Trepca und Stari Trg in Untersuchungshaft gehalten. Nach wie vor versucht die serbische Regierung, die autonomen Rechte der Provinz in einer „Verfassungsreform“ abzubauen. In der Provinz Wojwodina, die im Rahmen der serbischen Republik einen ähnlichen Status hatte wie die Provinz Kosovo, stimmte das Regionalparlament inzwischen der Verfassungsreform zu und hat sich damit selbst entmachtet.

Bisher ist nicht bekannt, ob die zwangsverpflichteten Arbeiter - neben den 400 in Goles fallen auch 1.000 Lehrer unter dieses Verdikt - ihren Streik abgebrochen haben. In jedem Fall zeigen diese Ereignisse, wie gespannt die Situation im Kosovo immer noch ist. Im Zuge der Strafmaßnahmen warten 250 Kleinhändler und Kneipenbesitzer auf Strafverfahren, weil sie an dem Generalstreik Ende Februar teilgenommen hatten. 80 Parteimitglieder und Intellektuelle sind weiterhin in Haft. Die Arbeiter von Trepca ließ man bisher unbehelligt. Die Bergleute, so das angesehene Wochenblatt 'Nin‘, seien Opfer „staatsfeindlicher“ Kreise geworden. Nach wie vor fordern die albanischen Arbeiter, die von Belgrad gewünschten Verfassungsänderungen nicht durchzuführen.