Rot-grüner Sieg mit braunem Beigeschmack

■ In Hessen haben sich der Abwärtstrend der CDU und der Aufstieg der Rechtsextremen fortgesetzt

Daß Frankfurts blasser Oberbürgermeister Brück tief gefallen ist, war für niemanden eine Über raschung. Für die sorgte gestern das Comeback der NPD in der Mainmetropole. Doch gleichzeitig wurde sie von den „Republikanern“, wo diese kandidierten, weit überrundet. Und damit beginnt erst richtig der Zweikampf um die Führungsrolle bei den Rechtsextremen. Der andere Kampf, den diese Wahlen angeheizt haben, wird in Bonn ausgetragen werden - in der CDU/CSU. Nach den Hessen-Wahlen haben Geißler-Gegner wie -Anhänger ebenso recht wie unrecht.

Katerstimmung herrschte vor am Montag morgen nach der Wahl in Frankfurt. Die Freude über den Wahlsieg hielt sich sowohl bei SPD als auch bei den Grünen in Grenzen. Aus der Parteizentrale der Sozialdemokraten war gestern nur zu erfahren, daß der Spitzenkandidat Volker Hauff vorerst nicht zu sprechen und in einer Sitzung sei. Am Wahlabend hatte er den Absturz, den die CDU erlitten hatte, eine „Quittung für die schreckliche Kampagne“ gegen Ausländer in den letzten Wahlwochen genannt. Die CDU habe damit die NPD „salonfähig“ gemacht. Triumph klang leicht an, als er sagte: „In dieser Stadt kann ohne die SPD nicht regiert werden. Ich werde der nächste Oberbürgermeister sein!“ Mit wem allerdings Volker Hauff regieren will, bleibt vorerst offen. Gerüchte, daß er möglicherweise auch CDU-Dezernenten in den neuzubildenden Magistrat übernehmen will, häufen sich. Er selbst hatte diese Überlegung schon vor der Wahl laut angestellt. Die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ registrierte denn auch mit Argusaugen, daß er sich vom CDU-Bürgermeister Moog „besonders herzlich“ zum Wahlsieg gratulieren ließ. Der Frankfurter SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Wentz soll dazu „vieldeutig“ gelächelt haben. Moog gilt in den eigenen Reihen als unliebsamer Kritiker des CDU-Wahlkampfes.

Hessens Ministerpräsident Walter Wallmann jedenfalls, der die Wahl auch zu seiner persönlichen gemacht und in den Römer gekommen war, lächelte nicht. Er trat eher betreten in das Gedränge, das sich nach den ersten Hochrechnungen vor der großen Holztür zum Büro von Oberbürgermeister Brück staute. Schon vorher war im Hause, bei allen Parteien, Panikstimmung aufgekommen. Die PolitikerInnen ließen sich nicht blicken. Unter ihnen und den zahlreicher denn je erschienenen JournalistinInnen kursierten die Umfrageergebnisse von Infas und von der Forschungsgemeinschaft Wahlen schon gegen 17 Uhr. Beide sahen die NPD in den Römer einziehen und die FDP wieder draußen vor der Tür bleiben.

Als Walter Wallmann sich den Kameras stellte, wirkte er fast so angeschlagen wie bei der Landtagswahl 1983, die er wider Erwarten verloren hatte. Er verteidigte den CDU -Wahlkampf als „wirklich bemerkenswert“. Die Partei habe „alles gegeben“. Von dem Ergebnis allerdings sei er „tief betroffen“. Er sah „nach Berlin“ einen neuen Trend, eine „Auszehrung der demokratischen Mitte“. Wallmann trat außerdem wiederum gegen den „unglaublichen Mißbrauch“ des Asylrechts an und klagte dabei über den Verlust der „intellektuellen“ Hochburgen Berlin, Düsseldorf und Frankfurt.

Gesuchtester Gesprächspartner war der CDU-Stadtverordnete Michel Friedmann, der Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde. Er machte aus seinem Entsetzen keinen Hehl und überlegte, ob er sein Mandat behalten kann: „Das kann ich meinen Eltern nicht antun, daß ich gemeinsam mit der NPD in einem Magistrat sitze.“ Er mußte sich die Kritik gefallen lassen, daß er vorher zu dem rassistischen Wahlkampf seiner Partei geschwiegen habe.

Das Fest der Grünen, bei dem auch namhafte SPDler auftauchten, geriet zum diskutierenden Gedrängel. Überschäumende Fröhlichkeit war nicht zu entdecken - eher ein Schock über den Einzug der NPD. Der allgemeine Tenor: Wir haben gewonnen, aber der Preis ist sehr hoch. Daniel Cohn-Bendit, erklärte Zielscheibe der Hetzkampagne der CDU, sah gestern morgen alles schon wieder versöhnlicher. Immerhin sei es doch nicht so schlecht, wenn sich die eingefleischten Rechten nicht mehr in der CDU verstecken könnten.

Die Gerüchte von einer großen Koalition zwischen der SPD und der CDU verwiesen gestern sowohl linke SPDler als auch Grüne erst einmal in das Reich der Fabel. Auch die SPD hatte schließlich im Wahlkampf, wenn auch verhalten, auf die Verstrickung etlicher CDUler in den Frankfurter Bestechungsskandal verwiesen. Diese könne Volker Hauff, der ein Bündnis der „Anständigen“ gefordert hatte, doch wohl nicht gemeint haben.

Gegen 22 Uhr standen die Wahlergebnisse in den inzwischen wieder leereren Römerhallen endgültig fest. 318.125 FrankfurterInnen sind zur Wahl gegangen und haben zu 36,6 Prozent die CDU gewählt, 1985 waren es noch 49,6 Prozent. Die Union muß also einen Einbruch von 13 Prozent hinnehmen. Die SPD gewann mit 40,1 genau 2,5 Prozent dazu, die Grünen kamen leicht erhöht auf 10,1 (8,0) und die NPD von null auf 6,6 Prozent.

Besonders hoch liegen die Zahlen der NPD-WählerInnen in den nicht so vornehmen Außenbezirken der Stadt, zum Beispiel im Arbeitervorort Goldsteinsiedlung und in Sindlingen. Das traditionelle Arbeiterviertel Gallus allerdings hielt ebenso wie das Nordend seiner Partei, der SPD, knapp die Treue. In manchen der auch bei der Szene begehrten Wohnvierteln wie Bornheim und Nordend reichten die Grünen fast an die SPD heran, und die CDU mußte sich in manchen Wahllokalen von beiden überrunden lassen. Auch das Nobelviertel Westend wählte in seinen 18 Wahlbezirken vorwiegend rot-grün. Ersten Eindrücken zufolge gaben hier die jung-dynamischen MittelschichtlerInnen den Grünen ihre Stimme.

Heide Platen