GABELN AUF DEN AUGEN

■ Helnwein wirbt für Scientology Church

Am Eingang standen sie schon: Die Bodyguards der streitbaren Psychoreligion. Für zehn Mark wurde eingelassen, wer aussieht, als käme er wegen der Kunst bzw. alltags zum Seelenausputzen und heute zum besonderen Event: Gottfried Helnwein, österreichischer Popplakatkünstler mit blauem Stirnband, das er wohl seit seinen aktionsbewegten Wiener Sturm- und Drangjahren nie wieder abgelegt hat, gab sich am Samstag abend die Ehre in den Geschäftsräumen der Scientology Church in Friedenau. Inzwischen hat er nicht nur Scorpions-Platten wie politische Magazine gecovert, er inszeniert mittlerweile die Provokation auf Bestellung. Hitlerikonen, vor denen Altnazitaxifahrer auf die Knie fallen, wenn sie sie im Kofferraum zur Ausstellung transportieren müssen - wie Helnwein hier stolz erzählt spielen mit dem Identifikationseffekt genauso wie das berühmte James-Dean-Plakat voll melancholischer Nässe, in jeder zweiten Jungmädchenwohnung zu finden.

Helnweinkunst ist ein Massenprodukt wie die BZ und der Erfolg gibt ihm Recht. Offenbar erfüllt er Bedürfnisse jenseits des Kunstbetriebs und jenseits politischer Aufklärung. Je geringer die Distanz zu einem gutbekannten bzw. stark verfremdeten Haß- oder Liebesobjekt, desto größer die Schockwirkung; ob das Produkt später zum Vorzeigeobjekt politischen Engagements wird (Bildnisse verletzter und mißhandelter Kinder, bandagierte Kinder) oder zum ästhetischen Kulturschocker (Bühnenbild zu Kresniks Badewannenbarscheltanz „Macbeth“) ist mehr eine Frage des Zielpublikums als des angewandten Prinzips.

Beim Helnweinauftritt in der Scientology Church ist folglich mehr die sanfte Manipulation gefragt: Hier heißt es wie gewohnt aufzuschauen zum außergewöhnlichen Menschen, zu einigen großformatigen Schwarzweißfotografien von Michael Jackson bis Peter Alexander, mit Trick 17, einem Faltennetz, zum Träumen menschlich gemacht. Eine Ausstellung kann man das nicht nennen, vielmehr eine vereinigte Verkaufsmesse zwecks Anwerbung neuer Mitglieder. Und die waren zahlreich gekommen, scharten sich wie die Motten ums Licht, um Helnwein nach einem inszenierten Interview mit der Scientology-Leiterin Löcher in den Bauch zu fragen.

Das ging schon über den Starkult in der Bertelsmannsignierstunde hinaus. Helnwein selbst ist nach eigenen Aussagen seit 1972 Scientologe, weil ihn das Drogenentzugsprogramm der Scientology Church („Narconon“) überzeugt habe. Vor den theoretischen und finanziellen Stützen von Scientology, einem Regal, vollgestopft mit Tonbandlehrgängen, spricht er nicht nur von einem Michael Jackson, der „ganz anders als sein Image sei“, sondern auch von Selbstbestimmung und Abkehr von Autoritäten. Der evangelische Sektenbekämpfer Pfarrer Gandow, aber auch Drogenhilfsorganisationen sehen das ein bißchen anders. Nach einem kritischen 'Zitty'-Bericht „Von der Droge in die Sekte“ 1977 mußte der Scientology-Ableger „Narconon“ Berlin mit Schimpf und Schande verlassen. Die normale „Läuterung“ wird erkauft mit neuer seelischer und vor allem finanzieller Abhängigkeit. Denn mit den „Reinigungsrundowns“ oder „Lebensreparaturen“ kann man sich bis in die Zehntausende verschulden.

Helnwein aber will von der Geschäftstüchtigkeit der Scientology Church nichts wissen, auch nicht von der Millionenunterschlagung ihres inzwischen verstorbenen Gründers, des ehemaligen Science-fiction-Autors L.Ron Hubbard, die 1984 bekannt wurde. Der merkte im Psychoboom der sechziger Jahre, daß es nichts Einträglicheres gibt als die Gründung einer Religion. Jahrtausendealte Erkenntnis, die vor kurzem das Verwaltungsgericht Berlin zu bestätigen schien. Die Presse verkündete zur Jahreswende, die Scientology Church sei durch ein Verwaltungsgerichtsurteil als Religionsgemeinschaft anerkannt worden. Tatsächlich hatte das Gericht lediglich festgestellt, daß auch für Scientology grundsätzlich das Grundgesetz der Meinungs- und Religionsfreiheit gilt. Die Grenzen seien da überschritten, wo mit psychischer Gewalt Druck ausgeübt wird. Entsprechende Fälle hatte aber der Kläger, das Tiefbauamt, gar nicht vorgetragen. Da ging es es nur um das Aufstellen von Infoständen.

DoRoh