RAFFINIERT UND AUSGEBUFFT

■ „The artist and his models“ von Brian Reffin Smith im Zwinger

Die kleine Ausstellung mit Kunst aus dem Computer in der Galerie Zwinger hat es in sich. Stereometrische Bilder und Texte, computergeschriebene Noten, von Robotern gesungene Selbstanalysen, Texte ohne Buchstaben und sich selbst zerstörende Schrift zeigen, daß der Engländer Brian Reffin Smith mit den Möglichkeiten des Computers literarische Phasen durchspielt und die Manipulationsmöglichkeiten von Bild und Sprache austestet. Zum in der Computerkunst üblichen medialen Overkill kommt es bei ihm nicht, und seine Endprodukte sind auf Papier und Leinwand fixiert. Smith, Jahrgang 1946 und seit den siebziger Jahren Computerfreak, rechnet sich selbst noch zu der Hippie-Generation, die den Rechner mit selbstgeschriebenen Programmen für ihre Zwecke einsetzte. Er hat Bücher über Soft-computering geschrieben und am Royal College of Art in London gelehrt. Seit 1986 unterrichtete er Kunststudenten in Bourges und Paris und lebt in Berlin.

Die Modelle des Artisten, die er inmitten abstrakter Schriftzeichen zeigt, reichen von der klassischen Gliederpuppe bis zu Modellen von Kommunikations-, Gesellschafts- und Kunsttheorien. Die gedachten Zusammenhänge werden in den der Mengenlehre entliehenen Darstellungsformen zu Kreisen und Pfeilen, beliebig zu beschriften. Die Reduktion komplexer Inhalte auf maschinenlesbare Grafiken läßt die einzelnen Elemente austauschbar werden. Die Sucht einiger heutiger Künstler, Leben und Welt mit Absolutheitsanspruch in Pictogrammen zu erfassen, erhält so plötzlich den Aspekt, alles datentechnisch kommensurabel zu gestalten.

Es sind nicht die technischen Tricks, sondern die Gedankensprünge, mit denen Smith uns an der Nase herumführt. Absurder Humor, Marke englisch, rätselhaft, spleenig und mit gepflegtem Understatement. Für die das eigene Tun reflektierende Ironie dient der Computer als Mittel der Brechung, der der Darstellung von etwas schon immer einen Schritt voraus ist und die Methoden des Darstellens selbst ins Bewußtsein rückt. Smith arbeitet als konzeptioneller Künstler, dem seine Botschaften nicht zu permanent ins Leere laufenden Selbstdarstellungen seines Mediums geraten. Eine Computergrafik zum Beispiel, sonst öder Beweis einer ohne Überraschungen nach Programm funktionierenden Technik, wird bei ihm zum Anlaß, die Visualisierung kunsttheoretischer Überlegungen einzuklagen. Neben ein Gespinst abgewinkelter Linien, die am ehesten an Schnittmusterbögen erinnern, bei denen sich jede Nähmaschine Knoten in die Nadel fährt, schreibt Smith mit der Hand: „The use of a small robot to draw this piece is perhaps of interest, but could not, in itself, justify the piece as art. The lines were produced randomy and there was no 'creativity‘ involved. However, the production and incorporation into the piece, of a critical text might 'save‘ the work. Infact, it may even raise some questions about the criteria and dimensions of an 'art -object‘, thus making the object work on a 'meta-level‘, where discourse becames part of the art-object. BR Smith, 1989“ In eleganter Defensive stiehlt er dem Kritiker die vorhersehbaren Worte aus dem Mund und erspart mir als Interpretin das Kopfzerbrechen.

Oder doch nicht ganz, denn Irritationen bleiben genug. „Ceci n'est pas un Apple“ steht über einer Grafik, auf der ein Apple-Bildschirm abgebildet ist, auf dem wiederum das gerasterte Bild eines Apfels leuchtet. Das von Magritte begonnene und von Philosophen weitergetriebene Verwirrspiel der Nichtidentität von Wort, Zeichen und Ding ist noch einmal potenziert, um eine Generation gesteigert. Der Kenner sieht's und lächelt. Doch warum zum Teufel hängt Smith, dieser hinterlistige Spielverderber, mitten in der Grafik neben den Bildschirm den Spruch „What are you doing about Torture?“ Die Prostitution politischen Bewußtseins, das wie ein Etikett aufgeklebt und zur Schau gestellt wird, erfährt man beim Lesen wie einen Schock. Das Private und Politische verquirlt Smith auch auf verquere Art in „Revolutionary Art“. Mit verschiedenen Typen von Landkarten der Sowjetunion, die er dabei benutzt, verweist er zunächst in großem Bogen zurück auf die Entwicklung der Computer -Technologie zu militärischen Zwecken. Über die Topographien legte er deformierte Selbstporträts, Zeugnisse seiner schwitzigen Komplexe, die kleine Inseln in seinem Hirn schwimmen und riesige Gebirge aus seiner Nase wachsen lassen, und schreibt dazu: „When I was young I thought about killing myself because of my big nose; now I am a famous artist. Art must be political.“ Ist diese Parole nun als das Geheimnis seines Erfolgs zu verstehen? Stellt der letzte Satz den bloß additiven Versuch dar, in ein unpolitisches Werk Politik zu pumpen oder kann man ihn als Hinweis auf die schon immer implizite politische Dimension lesen? Liegt in ihm der Schlüssel zur Beziehung seiner Person zur Sowjetunion oder liegt dieser in der langen Nase? Will er ein ausgeprägtes Riechorgan zur Voraussetzung politischer und ästhetischer Sensibilität erklären? Fragen über Fragen, Rätsel ohne Preis.

Katrin Bettina Müller

Brian Reffin Smith „The artist and his models“, Zwinger Galerie, Dresdner Straße 125, bis zum 25.März, Mi-Fr 15-19, Sa 11-14 Uhr.