Der antifaschistische Widerstand wächst

■ Antifa-Gruppen verzeichnen seit dem Wahlerfolg der „Republikaner“ wachsendes Interesse, sich gegen Rechtsradikalismus zu engagieren / Neue AGs schießen wie Pilze aus dem Boden / Aus Angst vor Neonazis finden Treffen meist im Verborgenen statt

Hauptsache „Anti“! Galt dieses Motto seit Jahren als zentraler Schlachtruf eines jeden Berliner Szenemenschen, so hat der Ausdruck des Protests nicht zuletzt in den vergangenen sechs Wochen wieder an Bedeutung gewonnen: Antifaschismusgruppen wehren sich gegen rechtsradikale Strömungen in der Stadt.

Gegen Rassismus und Faschismus mobilisieren einige Antifa -Gruppen schon seit langem. Nach dem Wahlerfolg der „Republikaner“ Ende Januar jedoch schießen die Antifaschismusgruppen und Arbeitsgemeinschaften wie Pilze aus dem Boden. In allen Stadtteilen und verstärkt auch an Schulen wächst die Bereitschaft, sich aktiv gegen Ausländerfeindlichkeit und rechtsradikale Gewalt einzusetzen. So berichtet ein Sprecher des „Aktionsbündnisses gegen Faschismus, Rassismus, Sexismus“: „Nicht nur etablierte Gruppen, wie Aktion Sühnezeichen oder der DGB beschäftigen sich mit den rechtsradikalen Strömungen in der Stadt, sondern auch immer mehr Nachbarschaftsgruppen oder auch Betroffene.“ Die Anzahl der Antifa-Gruppen in der Stadt wachse ständig und sei kaum noch zu überblicken, so der Vertreter des Aktionsbündnisses. Seit einem Jahr gilt das Aktionsbündnis als Koordinationstreffpunkt aller Berliner Antifa-Gruppen. Eine „Ausländer rein!„-Fete hatten die Schöneberger schon vor der Wahl im Januar mit großem Erfolg veranstaltet.

Über regen Mitgliederzuwachs berichtet ein Vertreter der VVN, Verbund der Antifaschisten. Interessierte aus allen Alters- und Berufsgruppen wollten sich plötzlich engagieren. Auch die Diskussions- und Infoveranstaltungen, so der Sprecher, würden seit neustem „sehr gut“ besucht. Zu einem Film- und Diskussionsabend gegen Ausländerfeindlichkeit, der nur für Frauen angeboten worden war, seien am vergangenen Sonntag über 60 Interessentinnen gekommen.

Wie die Arbeit der Antifa-Gruppen in den einzelnen Bezirken aussieht, wird am Beispiel Moabit deutlich. Dort hat sich vor vier Wochen eine Arbeitsgemeinschaft gegen Ausländerfeinlichkeit gebildet. „Wir beschäftigen uns gerade mit dem Parteiprogramm der 'Republikaner‘, denn bevor wir nicht detailliert wissen, was es mit dieser Partei auf sich hat, können wir ja schlecht entscheiden, ob sie verboten gehört oder nicht“, erklärt eine Sprecherin der Moabiter Antifa-Gruppe. Auch dem Antifaschistischen Bündnis in Schöneberg ist die inhaltliche Arbeit wichtig. So zeigten die Schöneberger nach der Wahl nochmals den ausländerfeindlichen Wahlspot, um darüber zu diskutieren.

Über mangelnde Besucherzahlen kann sich seit neuestem auch das Antikriegsmuseum im Wedding nicht mehr beklagen. Zwei bis drei Schulklassen pro Tag würden sich über Kriegs- und Faschismuszeiten informieren, so einer der „Museumswächter“ in der Genter Straße. Meistens seien es die LehrerInnen, die eine zunehmende Rechtsradikalität unter SchülerInnen feststellen würden und deshalb ihre Klasse herbrächten. „Die meisten Schüler sind erst mal geschockt, wenn sie unsere Dokumentationen sehen, aber so richtig ihre Meinung dazu äußern, tun sie eigentlich selten“, erklärt der Mann vom Antikriegsmuseum.

Was die Arbeit aller Antifa-Gruppen überschattet, ist die Angst vor rechtsradikalen übergriffen. So finden die meisten Treffen an geheimgehaltenen Orten statt, Kontaktadressen gibt es in den seltensten Fällen. „Die meisten Gruppen haben sich Postfächer zugelegt. So kann man sich schriftlich an die wenden“, meint eine Frau aus der Moabiter Antifa-AG. Die 25 Mitglieder ihrer Gruppe treffen sich regelmäßig in einem Lokal. „Wenn das die Skinheads wüßten, würde das wahrscheinlich kurz und klein geschlagen“, beschreibt sie die Situation.

Trotz allem: Auf Informationen per Telefon setzen seit neustem die Mitarbeiter des Regionalbüros für Wirtschaft und Antirassismus, das Aktive Museum Faschismus und Widerstand sowie verschiedene Antifa-Gruppen. Sie haben drei Telefonnummern eingerichtet, um den Berlinern die Möglichkeit zu geben, rassistische und faschistische Schmierereien, Neonazi-Treffen oder Diskriminierungen bekannt zu machen. Außerdem sollen sich InteressentInnen über Antifa-Arbeit und Aktionen informieren können. (Die drei Telefonnummern: 861 94 22/ 261 76 61/ 692 15 99.

cb