Memminger Richter ausgeschlossen

■ Richter Ott wegen Befangenheit vom Allgäuer Abtreibungsprozeß ausgeschlossen / Als er 1980 gegen den Frauenarzt Theissen ermittelte, begleitete er seine Freundin zum Schwangerschaftsabbruch

Memmingen (taz) - Zäsur im Memminger Theissen-Prozeß: Richter Detlef Ott, bekannt als Scharfmacher im Allgäuer Abtreibungsprozeß, wurde am Montag wegen Befangenheit abgelöst. Zum Stolperstein, der ihn aus seinem Amt katapultierte, wurde für ihn die Abtreibung seiner damaligen Freundin im Jahre 1980, an der er beteiligt war. Der damals 29jährige Ott, der gerade als Staatsanwalt in Memmingen angefangen hatte, war mit seiner Freundin nach Karlsruhe gefahren, um eine Notlagenindikation zu besorgen. In Baden -Württemberg wurde der Schwangerschaftsabbruch dann auch vorgenommen.

Mit einem eklatanten „Mangel an beruflicher Integrität und menschlicher Aufrichtigkeit“ bei Richter Detlef Ott begründeten zwei der drei Verteidiger des Frauenarztes Dr.Theissen, Sebastian Cobler und Wolfgang Kreuzer, ihren Antrag auf Befangenheit. Ganz überraschend kamen die Vorwürfe gegen Ott für das Gericht allerdings nicht, denn das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel‘ hatte sie zeitgleich veröffentlicht. Richter Ott reagierte mit einer „Dienstlichen Erklärung“, in der er den Tatbestand nicht abstritt, sich allerdings nicht für befangen hielt. Er betonte, daß „der gesetzlich vorgeschriebene Weg eingehalten worden ist“.

Daß er, wie 'Der Spiegel‘ behauptet, bei diesem Abbruch der Treibende gewesen sei, „ist in dieser Form unzutreffend“, erklärte Richter Ott am Montag. Auf die ihm vorgehaltenen inquisitorischen Fragen, die er an Frauen richtete, die sich in genau der gleichen Situation befunden hatten wie er 1980 selbst, ging der Richter in seiner Erklärung kaum ein. Otts Lieblingsfrage an die Zeuginnen im Abtreibungsprozeß war, ob sie das Kind nicht hätten austragen können. Das sei alles erforderlich gewesen, um die „gesamten Lebensumstände so umfassend wie nur möglich aufzuklären“.

Sebastian Cobler und Wolfgang Kreuzer machen dann allerdings deutlich, daß es nicht darauf ankomme, ob Ott sich befangen fühle. „Entscheidend ist, ob Dr.Theissen diesen Richter für befangen hält oder nicht - und er hält ihn sehr wohl für befangen.“ Das Gericht schloß sich nach langer Beratung genau dieser Meinung an.

Der sichtlich mitgenommene Vorsitzende Richter Albert Barner sagte in seiner Begründung: „Der Angeklagte Theissen habe Anlaß zum Mißtrauen gegen die Parteilichkeit von Richter Ott.“ Richter Barner räumte ein, daß die „intensive Art der Befragung“ darauf zurückgeführt werden könne, daß Richter Detlef Ott dem Angeklagten nicht mit der erforderlichen Distanz gegenüberstehe. Wie wahr.

Denn just in der Zeit, in der Detlef Ott mit seiner Freundin nach Baden-Württemberg zum Schwangerschaftsabbruch gefahren ist, hat Ott - damals noch Staatsanwalt - mit großem Eifer ein Ermittlungsverfahren gegen Horst Theissen betrieben. Detektivische Fähigkeiten soll der heutige Richter Ott damals angewandt haben, um Theissen illegale Schwangerschaftsabbrüche nachweisen zu können. Das Verfahren mußte damals wegen erwiesener Unschuld Theissens eingestellt werden. Dieser Vorgang hatte schon zu Prozeßbeginn dem Richter Ott einen Befangenheitsantrag eingebracht, der freilich von seinen Richterkollegen als unbegründet abgewiesen wurde.

Ein schwerer Schlag ist die Ablösung von Richter Detlef Ott für die unnachgiebigen Staatsanwälte, die den Antrag der Verteidigung auf Befangenheit als „Stimmungsmache“ abtun wollten. Die Ergänzungsrichterin Brigitte Grenzstein wechselt nun als Berufsrichterin auf den Stuhl von Richter Ott. Eine gewisse Gefahr liegt jetzt freilich für das Memminger Gericht in der neuen Situation: Denn sollte noch einer der Richter ausfallen, wäre dieser größte Abtreibungsprozeß der bundesdeutschen Rechtsgeschichte geplatzt.

Klaus Wittmann