Frauenmörder sicherungsverwahrt

■ Holger M. hat vor zehn Jahren eine Frau bestialisch vergewaltigt und ermordet / Vor einem Jahr versetzte er die nächste Frau, Pamela Z., in tödliche Panik / Gericht: entschied auf Sicherungsverwahrung / Richter: „Keiner macht das gern“

Vier Tage dauerte der derzeit letzte Prozeß gegen Holger M. Er endete gestern mit einer Strafe, die nur noch in Ausnahmefällen verhängt wird: Sicherungsverwahrung. Sie bedeutet, daß der Angeklagte, nachdem er seine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verbüßt hat, für maximal zehn

weitere Jahre in der Strafvollzugsanstalt Oslebshausen eingesperrt bleibt.

Zwei weibliche Opfer von Holger M. sind gerichtsbekannt. Vor zehn Jahren hatte er die damals 17jährige Ute R. an einer Straßenbahnhaltestelle angesprochen, zu sich nach Hause ver

schleppt und sie mehrere Tage lang bestialisch gemartert. Wegen Vergewaltigung und Mord wurde Holger M. 1979 zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt.

Das zweite Opfer, Pamela Z., kam mit dem Leben davon. Sie war in der Nacht zum 31. Dezember 1987 hinaus auf die Straße ge

gangen. Unterwegs traf sie auf Holger M., der sie ansprach und unterhakte. Als sie sich losmachen wollte, hielt er sie fest, zog sie in einen Weg hinein und würgte sie. Pamela Z. stand Todesängste aus. Schließlich gelang es ihr, aus Leibeskräften zu schreien. Und diese gellenden,

lang andauernden, nächtlichen Hilfeschreie auf einem Spielplatz im Stadtteil Sebaldsbrück fanden nach einiger Zeit Gehör bei AnwohnerInnen. Sie eilten ihr tatkräftig zu Hilfe. Den vernehmenden Beamten erklärte Holger M., er habe mit der Frau „einen wegstecken“, „'ne Nummer schieben“ wollen. Auf diese Äußerungen stützte Staatsanwalt Hoff die Anklage „versuchte Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung“. Denn die „geschädigte“ Frau, Pamela Z., hatte den Täter nicht für einen Vergewaltiger, sondern einen Mörder gehalten. Ihre damalige Todespanik hat sie bis heute nicht verwunden: „Sowie jemand hinter mir geht, zucke ich zusammen.“ Sie ist in therapeutischer Behandlung. Der Verhandlung wohnte sie nur als Zeugin bei, ihre Nebenklage ließ sie von einer Anwältin vertreten.

Abgesehen von elf ZeugInnen hatte das Gericht zwei Gutachter bestellt, die zur Psyche des Holger M. Aussagen machen sollten. Doch die Gutachter mußten weitgehend passen, der Angeklagte verweigerte sich ihnen. Der Psychologe Dr. Herbert Maisch: „In meiner bisher 30jährigen Tätigkeit ist es das erste Mal, daß ich ein Gutachten erstatte, ohne selbst untersucht zu haben.“ Sein Kollege Prof. Eberhard Schorsch: „Ich bin mit meinen Bemühungen gescheitert, die Fassade des Angeklagten zu lockern.“ Beide konstatierten Holger M. „erhebliche Persönlichkeitsstörungen“. Holger M., 1959 geboren, war ohne Vater

aufgewachsen und von seiner Mutter vernachlässigt worden. Zeitweilig lebte er freiwillig in einem Heim, kehrte dann jedoch wieder zur Mutter zurück. Mit der Mutter lebte er auch zum Zeitpunkt der letzten Tat zusammen. Der Gutachter Schorsch umschrieb Holger M. mit den Stichworten: „Kein stabiles Inneres. Starke Verlassenheitsängste. Eine Außenseiteridentität. Ein rigides Männlichkeitsgefühl. Eine erhebliche aggressive innere Aufladung. Eine außerordentliche Sperre, damit niemand ihm zu nahe tritt.“ Beide Gutachter kamen deshalb zu dem Schluß, bei Holger M. seien die Voraussetzungen „für eine therapeutische Behandlung denkbar ungünstig“.

Holger M.'s Verteidiger Brandt konzentrierte sich jedoch nicht darauf, die Versäumnisse der Justiz an seinem Mandanten anzuprangern (keine kompetente Sexual-TherapeutIn, völlig mangelhafte Entlassungsvorbereitung). Sondern der Verteidiger konzentrierte sich darauf, die Glaubwürdigkeit des Opfers in Frage zu stellen und mit insgesamt 23 Beweisanträgen Revisionsgründe zu schaffen. Das Gericht ließ sich von dieser Strategie nicht beeinflussen. Es sah die versuchte Vergewaltigung als erwiesen an. Doch das Urteil „Sicherungsverwahrung“ fiel den Beteiligten nicht leicht. Richter Oetken: „Keiner macht das gern“. Nebenklagevertreterin Bahr-Jendges: „Auch wenn es mich davor graust, es bleibt nichts anderes.“

Barbara Debus