Wahl des rot-grünen Feminats

■ Berliner Senat wird heute inthronisiert / Hauchdünne Mehrheiten für AL und SPD im Abgeordnetenhaus / Momper als zukünftiger Bürgermeister zuversichtlich / SenatorInnen werden geheim gewählt / Vereidigung soll noch heute erfolgen

Selbst der Lederumschlag ist rot- grün. 176 Seiten stark ist die gebundene Ausgabe der Koalitionsvereinbarungen die SPD -Chef Walter Momper, die Al-Fraktionsvorsitzende Heidi Bischoff-Pflanz und andere Parteienvertreter gestern unterzeichneten. Nun muß die rot-grüne Regierung heute nur noch gewählt werden.

Zur Wahl steht das Amt des Regierenden Bürgermeister, für das Walter Momper kandidiert. Gewählt werden müssen außerdem seine acht Senatorinnen und fünf Senatoren. Am Dienstag zeigte sich der zukünftige Regierungschef zufrieden lächelnd als Hahn im Korb zwischen den designierten Senatorinnen und strahlte Optimismus aus. Er rechne nicht damit, daß irgendjemand aus seiner Fraktion heute nicht für eine der SenatskandidatInnen stimmen würde, beteuerte er. Dabei hatten Sozialdemokraten gestern Unmut über die so flugs zusammengestellte SenatorInnencrew geäußert. Die Professorin Heide Pfarr kenne sich nicht aus in ihrem Ressort Bundesangelegenheiten, murrten einige Genossen. Außerdem habe man dafür einen qualifizierten Mann gehabt. Alexander Longolius, ehemaliger Vizepräsident des Abgeordnetenhauses dessen Abgeordnetenmandat bereits einem Quotie Fortsetzung Seite 2

rungsbeschluß zum Opfer fiel - bekommt nun voraussichtlich gar keinen Posten ab.

Verärgerung herrscht in der Partei auch darüber, daß der neue Finanzsenator Norbert Meisner heißen soll. Versorgungsmentalität tönte es erbost über den Stellvertretenden Landesvorsitzenden, der bereits ins Europaparlament sollte und dann als Umweltsenator gehandelt wurde. Einige SPD-Abgeordnete äußerten Zweifel an der Qualifikation des Parteilinken Theologen ausgerechnet für das Pekunäre. Die Abstimmung über die designierten SenatorInnen wird in jedem Fall knapp

werden. Mit den 55 SPD- und den 17 AL-Abgeordneten verfügt die neue Koalition sowieso nur über eine hauchdünne Mehrheit von zwei Stimmen gegenüber den 55 CDU-Abgeordneten und den 11 Republikanern. Einige Heckenschützen aus den eigenen Reihen würden reichen, um die eine oder den anderen Kandidaten durchfallen zu lassen.

Bei der geheimen Wahl für jeden einzelnen Senatorenposten genügen mehr Ja-als Nein-Stimmen. Der Senat ist erst dann gewählt, wenn alle SenatorInnen gewählt sind. Denkbar ist, daß die Rot-Grünen ihre KandidatInnen zwar letztendlich nicht durchfallen lassen, aber ein Spielchen spielen, das das Berliner Parlament schon des öfteren praktiziert hat: Die Abgeordneten der Regierungsparteien kreuzen im ersten Wahlgang auch schon mal ein „Nein“ an, um ihren Mißmut auszudrücken, machen aber beim zweiten Wahlgang das Kreuz bei „Ja“, um ihre neue Regierung nicht zu gefährden.

Der neue Regierende Bürgermeister braucht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, um gewählt zu werden. Wenn alle SenatorInnen gewählt sind, werden sie sofort vereidigt und wollen unverzüglich am Freitagmorgen an ihren neuen Arbeitsplätzen erscheinen.