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Woody Allen: Eine andere Frau

Eine Stimme aus dem off. Gena Rowlands erzählt. Sie ist Philosophieprofessorin, schreibt gerade ein Buch, ihre Ehe ist solide, und auch mit der Stieftochter versteht sie sich gut. Sagt sie. Es hört sich an wie geschrieben. Gena Rowlands auf der Leinwand. Gut gekleidet, sicheres Auftreten. Eine Bürgerliche. Dieselbe Frau. Oder eine andere? Woody Allens neuer Film heißt „Eine andere Frau“. Gena Rowlands sitzt am Schreibtisch. Da hört sie eine Stimme. Sie kommt aus dem Heizungsschacht. Eine weinende Frau. Nebenan hat ein Psychoanalytiker seine Praxis, Gena Rowlands hört mit, unfreiwillig. Erst versucht sie, die Stimme mit Kissen zu ersticken, aber dann wird sie neugierig. Einmal sieht sie die Frau aus der Praxis kommen, es ist Mia Farrow. Schwanger. Und verzweifelt. Wie in September. Einmal trifft sie sie auf der Straße. Zufällig. Sie läd sie ein. Erzählt der unglücklichen Frau von sich selbst und bemerkt dabei, daß ihr eigenes Leben auch nicht so glücklich ist. Sie erinnert sich, trifft alte Freundinnen. Rückblenden. Und immer: die Stimme aus dem off. Auch wir im Kino lauschen einer Analyse, sind Zeugen ihres Nachdenkens über sich selbst. Unfreiwillig, wie Gena Rowlands am Heizungsschacht. Szenen beim Analytiker waren in den früheren Woody-Allen-Filmen allemal für einen Lacher gut. Jetzt ist es ihm ernst.

Aber anders als in September kommt es nicht zur Tragödie. Zwar entdeckt sie, daß ihr Mann sie betrügt, daß sie überhaupt vielleicht den falschen geheiratet hat, daß ihr Verhältnis zu ihrem Bruder, dem schwarzen Schaf der Familie, im Argen liegt. Dennoch fängt sie sich wieder, kaum daß sie aus dem Gleichgewicht geraten ist. Jetzt kann sie ihr Buch schreiben. Ende. Musik von Satie, Weill, Varese, Bach, Cole Porter, Gustav Mahler. Unter anderem. Ein völlig unspektakulärer, beiseite gesprochener Film. Schwer zu sagen, was er will.

chp

Woody Allen: Eine andere Frau, mit Gena Rowlands, Gene Hackmann, Mia Farrow, Ian Holm, USA 1988, 88 Min.

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