Neues Superhirn rückt BRD an Weltspitze

Heute Vorstellung / Bundesregierung Hauptförderer mit 160 Millionen Mark / Krupp Atlas Elektronik Hauptgesellschafter / Militärische Anwendung möglich  ■  Von Horst Buchwald

Ein Superhirn ganz besonderer Qualität wird Bundesforschungsminister Riesenhuber heute in Bonn vorstellen. Der Suprenum („Superrechner für numerische Anwendungen“) hat hinsichtlich dieser Rechenmethodik in der Welt kein Vorbild. Nach nur vier Jahren Entwicklungszeit rückt die BRD damit auf diesem Gebiet an die Weltspitze vor, die bisher von den USA gehalten wurde.

Die dort errichteten vier Supercomputer-Zentren sind jedoch eindeutig von Pentagon und Nasa bestimmt. Noch in den Kinderschuhen, geriet auch der Suprenum somit wegen SDI schnell in die Diskussion wegen möglicher militärischer Anwendung. Die wird auch aus anderen Gründen noch geführt werden. So ist nämlich gegenwärtig noch nicht absehbar, wie der Abnehmerkreis aussehen wird. Die Vermutung, daß dabei auch im militärischen Bereich tätige Unternehmen eine wichtige Rolle spielen werden, liegt schon deswegen nahe, weil einer der Hauptgesellschafter der Suprenum GmbH die Krupp Atlas Elektronik GmbH ist. Dieses Unternehmen macht seine Umsätze nämlich zu rund 50 Prozent mit Rüstungsgütern. Seine 54-prozentige Beteiligung (davon jedoch 27 Prozent ohne Stimmrecht) ist also keineswegs bedeutungslos. Weitere Hauptgesellschafter sind mit 20 Prozent die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GmD) sowie die Hamburger Firma Stollmann GmbH mit 18 Prozent. Am Suprenum-Projekt haben außerdem die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrttechnik (DFVLR), die Universitäten Bonn, Erlangen-Nürnberg, Braunschweig, Düsseldorf und Darmstadt mitgearbeitet.

Der Clou im Entwicklungskonzept ist die Verbindung modernster, besonders schneller Rechenverfahren (die Mehrgitterverfahren) mit einem völlig neuen inneren Aufbau und einer speziellen Arbeitsweise. Während bei den üblichen Von-Neumann-Rechnern ein Befehl nach dem anderen abgearbeitet wird, besteht der Suprenum aus vielen Tausenden von einzelnen Rechnern, die gleichzeitig (d.h. parallel) an der Lösung von Teilaufgaben arbeiten können.

Anwendungsgebiete der Superrechner sind schon jetzt unter anderem: Wettervorhersage, Aero- und Strömungsmechanik, Crashtests, aber eben auch die Atombombenproduktion sowie taktische und strategische Schlachtenführungen. Mit einer Spitzenleistung von fünf Milliarden Gleitkommaoperationen in der Sekunde (fünf GFLOPS) ist der Suprenum 1 schneller als der modernste US-Superrechner der Firma Cray mit vier GFLOPS. Obwohl der Pressesprecher der Suprenum GmbH, Dr.Kurt Brand, zugibt, daß man noch keinen Rechner verkauft habe, gibt man sich optimistisch. Der Markt für Supergehirne beginnt nämlich zu boomen.

Experten nennen Zuwachsraten von 30 bis 40 Prozent und ein Marktvolumen von 2,3 Milliarden Dollar im Jahre 1991. Der bisherige Markt ohne den neuen Parallelrechner wird mit 59 Prozent von Cray, 19 Prozent von Fujitsu, Amdahl und Siemens, 16 Prozent Control Data beherrscht. Kleinere Anteile haben Hitachi (vier Prozent) und NEC (drei Prozent). Weltweit sind 300 Supercomputer im Einsatz. Von den 20 in der BRD arbeitenden Rechnern dieser Klasse liegen die Forschungseinrichtungen mit einem Drittel bei den Anwendern obenan.

Auch Dr.Peter Behr, zusammen mit dem Leiter des GMD -Forschungszentrums für innovative Rechnersysteme und -technologie in Berlin, Prof.Wolfgang Giloi, einer der Väter der Systemarchitektur und Projektleiter bei Suprenum für die Hard- und Software, meint, daß man noch nicht weiß, wieviel Anwender bereit sind, für ein neues Konzept zu investieren, um bessere Ergebnisse zu bekommen. Außer Frage stehe aber, daß man mit Parallelarchitektur zu höheren Leistungen vorstoßen könne als mit konventionellen Rechnern.

Vor allem wegen des günstigeren Preis-Leistungs -Verhältnisses ist Behr zuversichtlich. Statt 40 Millionen Mark, wie der modernste Cray-Rechner, soll der Suprenum zwischen 20 und 25 Millionen Mark kosten. Außerdem: Man könne schon mit kleinen Systemem für wenige Millionen anfangen. Wenn ein Unternehmen, das in einer leistungsfähigen CAD-Umgebung Designs entwickeln wolle und Online sehen könne, welche Effekte sich ergeben, dann sei das bereits eine neue Qualität. Nach diesem Muster wird der Suprenum auch der Öffentlichkeit präsentiert. Voll ausgebaut besteht er aus 256 Knotenrechnern. In Bonn wird zunächst ein Cluster mit 16 Knoten vorgestellt, das dann auf der Industriemesse in Hannover um ein weiteres Cluster ergänzt wird. Das BMFT hatte dieses Projekt mit rund 160 Millionen Mark gefördert. Behr macht einen interessanten Vergleich: Apple habe für den Mac rund eine Milliarde Dollar aufgewendet.

Die Möglichkeit eines Mißbrauchs dieses Rechners schließt auch Behr nicht aus. „Sicher, ich kann den Supercomputer für viele wahnwitzige Sachen einsetzen. Aber das kann ich nicht verhindern, indem ich keine Supercomputer baue. Da muß ich zweigleisig fahren.“ Man müsse jene politischen Strömungen unterstützen, die dazu beitragen, daß Hochtechnologieanwendungen nicht zu größeren Schäden führen. Solche Anwendungen wären „der SDI-Bereich. Da gaukelt man sich Sicherheit vor, die letztlich nicht erreichbar ist.“ Er ist auch dagegen, den Rechner einzusetzen, um schnellere Autos zu bauen. Berechnungen, wann sich das Ozonloch verdoppelt, zählt er ebenso zu den mißbräuchlichen Anwendungen. Es sei schon jetzt groß genug. Eine sinnvolle Anwendung wäre dagegen die Tragflügelberechnung beim Airbus. Dadurch könnte man eine rund zehnprozentige Treibstoffeinsparung erzielen.

Andreas Böttcher, nicht direkt am Suprenum-Projekt beteiligt, aber im GMD-Forschungszentrum FIRST in West -Berlin tätig, ist Mitglied des „Forum Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung“ (FIFF). Er will die Möglichkeit eines militärischen Mißbrauchs ebenfalls nicht ausschließen. Andererseits: „Grundsätzlich ist das Interesse von Forschern aber auch, auf einen Zug aufzuspringen, nämlich immer schnellere und größere Computer zu bauen. Das packt sie natürlich an ihrem Ehrgeiz. Man will besser sein als die Japaner und Amerikaner.“

Das Suprenum-Projekt ist abgelaufen. Ein neues wird geplant. In der Definitionsphase befindet sich zur Zeit „Genesis“. Laut Brand soll das der „europäische Supercomputer“ werden. Aus diesem Grunde sind die beteiligten Unternehmen bereits von auserlesener Qualität: Siemens, Bull und Inmos neben der Suprenum GmbH. Das BMFT wartet bereits auf den Förderantrag. Mitte dieses Jahres dürfte er vorliegen. Ob Suprenum oder Genesis, auf die Anwendungsbereiche werden nicht nur die Wissenschaftler achten müssen.