FDP verläßt sinkendes Schiff

Nordrheinwestfalens Freidemokraten setzen sich von CDU ab / Fraktionsvorsitzender Rhode: Keine Koalitionsaussage für Landtagswahl 1990  ■  Aus Düsseldorf J.Nitschmann

Die liberalen Wendestrategen sind wieder unterwegs. Nach der Niederlagen-Serie für die Unionsparteien bei den letzten Landtags- und Kommunalwahlen ist bei der FDP offenbar das Wechselfieber ausgebrochen. In Nordrhein-Westfalen wollen sich die Freidemokraten deutlich von der CDU absetzen. Bei der Landtagswahl 1990 werden sie - entgegen ihren ursprünglichen Absichten - vermutlich ohne eine Koalitionsaussage um Wählerstimmen werben.

Die jüngsten Wahlergebnisse in Berlin und Hessen haben den FDP-Fraktionsvorsitzenden im Düsseldorfer Landtag, Achim Rohde (52), nachdenklich gemacht. In einem künftigen Fünf -Parteien-System könne sich die FDP „nicht mehr in ihrer Rolle als Mehrheitsbeschaffer definieren - für wen auch immer“. Für den kommenden nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf im Frühjahr 1990 heißt dies im Klartext: „Wir müssen uns verhandlungsfähig halten; bei einem möglichen Koalitionspartner darf es keine Tabus geben“, sagte Rohde vor Journalisten in Düsseldorf. Damit ist sie perdu, die Koalitionsaussage der NRW-FDP zugunsten der CDU. Und nicht nur das: Die ausgesprochen desolate Blüm-CDU wird sich auf erheblichen politischen Gegenwind aus Richtung ihres liberalen Oppositionspartners im Düsseldorfer Landtag einstellen müssen.

Der sich abzeichnende Wende-Prozeß ist bundespolitisch von erheblicher Bedeutung, was Rohde noch unterstreicht: Natürlich sehe er hier eine mögliche „bundespolitische Symbolwirkung“. Es waren immerhin auch die nordrhein -westfälischen Liberalen, die 1969 die erste sozial-liberale Koalition in Bonn vorweggenommen hatten. Mit einem spektakulären Wendemanöver waren sie in Düsseldorf drei Jahre zuvor ein Regierungsbündnis mit der SPD eingegangen. Schon damals saß Rohde an entscheidender Stelle: als persönlicher Referent im Büro des damaligen FDP -Parteivorsitzenden Walter Scheel.

In einem Hintergrundgespräch am Montag abend im „Liberalen Club“ des Landtages hatte Rohde die Katze erstmals aus dem Sack gelassen: „Mit Koalitionsaussagen Fortsetzung auf Seite 2

sind heute keine Wahlen mehr zu gewinnen“, eröffnete er dort den sichtlich verdutzten Journalisten, ohne daß diese ihn überhaupt dazu befragt hatten. Also, fuhr Rohde in einem offenbar sorgfältig vorbereiteten Statement fort, werde es für die Li

beralen an Rhein und Ruhr im Hinblick auf die kommende Landtagswahl „keine Fixierung auf die CDU geben können“.

Ein CDU-Landesvorsitzender Blüm, der die Absenkung des Spitzensteuersatzes entschieden ablehne und vehement für eine höhere Unternehmensbesteuerung votiere, stehe für die Liberalen „in stärkerer und direkterer Konkurrenz als die SPD“, erklärte Rohde klipp und klar.

Zugleich aber wünscht sich der Düsseldorfer FDP -Fraktionschef nach seinen eigenen Worten nichts sehnlicher als einen CDU-Spitzenkandidaten Blüm, den es offensichtlich nicht gerade drängt, den derzeit schier aussichtslos scheinenden Kampf mit Regierungschef Johannes Rau (SPD) aufzunehmen: Gerade bei „diesem Herz-Jesu-Marxisten Blüm“, werde es der FDP wirkungsvoll gelingen, sich als „die Wirtschaftspartei Nordrhein-Westfalens“ zu profilieren.

Rohdes Gedankenspiele, die dem Vernehmen nach mit den beiden Bonner FDP-Spitzen Otto Graf Lambsdorff und Hans -Dietrich Genscher ausgekaspert worden sind, werden seiner Ankündigung zufolge für die Oppositionsrolle der FDP im Düsseldorfer Landtag erkennbare Konsequenzen haben: Die

Liberalen würden künftig ihre Unterschiede zur CDU auch im Parlament offen austragen. Als konkrete Beispiele nannte Rohde Anträge zur Asyl- und Ausländerpolitik.

Andererseits mag sich Rohde, der sich 1990 auf einen „Überlebenswahlkampf“ einrichtet, den Sozialdemokraten nicht allzu überhastet an den Hals schmeißen. Doch in deutlichem Gegensatz zum letzten Landtagswahlkampf 1985, wo CDU und FDP mit der Beschwörung des „rot-grünen Chaos“ der SPD erst zur Mehrheit verholfen hätten, will der FDP-Fraktionschef heute ein sozial-liberales Bündnis in Düsseldorf nicht mehr ausschließen.

Nach Lage der Dinge wäre dies der Fall, wenn die Regierung Rau 1990 ihre absolute Mehrheit verlieren würde und die bislang immer an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiterten Grünen erstmals in das NRW-Landesparlament einzögen. Offen ist freilich, ob sich innerhalb der nordrhein-westfälischen SPD eine Mehrheit für eine Koalition mit einem FDP-Landesverband findet, der an Rhein und Ruhr deutlich rechter ist als anderswo im Bundesgebiet. Andererseits ist jedoch die Neigung von Ministerpräsident Rau zu einer „bürgerlichen Koalition“ durchaus bekannt. Die Grünen sind Rau alleine schon wegen ihrer politi

schen Kultur und ihres Lebensstils schlicht ein Greuel. „Der kann einfach nicht begreifen, daß man Turnschuhe auch außerhalb des Sportplatzes trägt“, beschreibt ein Rau -Berater das erkennbar gestörte Verhältnis des Düsseldorfer Regierungschefs zur Alternativ-Szene.

Und einen Einzug der Grünen in den Düsseldorfer Landtag hält Rohde angesichts der jüngsten Entwicklungen in Berlin und Hessen für ebensowenig ausgeschlossen wie das Überspringen der magischen Fünf-Prozent-Marke durch die „Republikaner“.