: Israels Fundamentalisten im Aufwind
„Arabisches Dreieck“ im Norden wird nun vom islamischen Block beherrscht / Likud-Block und Religiöse legten bei Kommunalwahlen zu / Islamische Organisationen unterstützen Israels Fundamentalisten ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Auch aus der zweiten Runde der Kommunalwahlen in Israel ging am Dienstag der rechtsnationalistische Likud-Block wesentlich gestärkt hervor. Nach der Niederlage der Arbeiterpartei vor zwei Wochen hatten die sozialdemokratischen Führer intensive Anstrengungen unternommen, um eine Wiederholung des Fiaskos zu vermeiden. Diesmal schnitt die Partei von Shimon Peres tatsächlich etwas besser ab, aber das Gesamtbild zeigt eindeutig, daß sie ihre Vormachtstellung in den Ortsgemeinden verloren hat.
In den jüdischen Städten und Dörfern liegt der Likud nun mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Führung. Ob die Leitung der Dachorganisation der Bürgermeister jetzt in die Hände des Likud übergeht, wird letztlich von der Stellungnahme der arabischen Ortsvorsteher abhängen. Sie stellen in dem gesamt -israelischen Verband eine entscheidende Minderheit von einem Drittel. Wie die Kommunalwahlen gezeigt haben, ist die islamische Front in den arabischen Gemeinden Israels auf dem Vormarsch. Am Dienstag siegte der islamische Block auch in der Beduinen-Gemeinde Rahat. Das sogenannte arabische „Dreieck“ wird jetzt von islamischen Fundamentalisten beherrscht. Sie stürzten nicht nur den der Kommunistischen Partei nahestehenden Stadtrat von Um-el-Fahm, sondern eroberten auch ein Drittel der Sitze im Stadtrat des weiterhin „roten“ Nazaret. Im nahen Kafr Kana nahm der islamische Block die Ortsleitung nur deshalb nicht in Besitz, weil ein Viertel der Bevölkerung christlich ist.
In den meisten Fällen ging der Vormarsch der Fundamentalisten auf Kosten der zionistischen Parteien und der jüdisch-arabischen „Progressiven Friedensliste“, aber auch die „Demokratische Front“ unter Führung der KP war betroffen. Der Bürgermeister von Nazaret, Tufik Zyat, der auch Mitglied der Knesset ist, erhielt nur noch 58 Prozent aller Stimmen, während ihn bei den letzten Kommunalwahlen vor sechs Jahren 68 Prozent der Bevölkerung seiner Stadt unterstützte.
Kenner der Lage in den arabischen Städten und Dörfern weisen auf die enormen Geldsummen hin, die den islamischen Organisationen zur Verfügung stehen, eine Unterstützung, die vor allem aus Saudi-Arabien stammt. Islamische Hilfsfonds und Institutionen ersetzen die fehlenden Regierungssubventionen und sozialen Dienste.
Die Notlage der arabischen Minderheit, die durch die israelische Regierungspolitik diskriminiert wird, wird von den islamischen Organisationen geschickt ausgenützt - nicht nur mit Hilfe der Geldmittel, sondern auch durch demagogische Propaganda. Gemeinderäte, in denen die Demokratische Front die Mehrheit stellte, wurden beschuldigt, für die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der arabischen Bevölkerung verantwortlich zu sein. Ähnlich wie in den besetzten Gebieten, machten die israelischen Behörden gerne „Gebrauch“ von der islamischen Bewegung im Kampf gegen links-orientierte Gruppen, um die Nationale Front der Palästinenser zu spalten. Letztere haben es versäumt, den ideologischen Kampf mit einer Organisation zu führen, die von sich bislang behauptete, unpolitisch zu sein. Bisher hat sich die „Islamische Front“ nicht an den Wahlen beteiligt. Bei den meist jungen, enthusiastischen Anhängern der islamischen Scheichs handelt es sich primär um einen nationalistischen Protest und um die Identifizierung Ohnmächtiger, aber aufgebrachter Männer und Frauen mit der starken pan-islamischen Bewegung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen