Eichenstaub macht Krebs

■ Viel Interesse bei jungen Auszubildenden im Tischlerhandwerk für Zahlen und Tatsachen zur Krebsgefahr am holzstaubigen Arbeitsplatz / Willkommener Ratschlag für's Werkstatt-Ausfegen: „Langsam arbeiten!“

Ausgerechnet Eiche und Buche, ausgerechnet diese Inbegriffe von kerniger Ursprünglichkeit und gesunder Natürlichkeit machen Krebs - jedenfalls in Form von Staub und in den Nasen und Nasennebenhöhlen von Menschen, die häufig und heftig diesen Holzstaub einatmen müssen: TischlerInnen also. Mit einem Totenkopf auf dem Flugblatt „Arbeiten in der Giftküche?“ hatte der Gesellen-Ausschuß der Tischler -Innung

zusammen mit der 'Gewerkschaft Holz und Kunststoff‘ (ghk) eingeladen. Und noch bis auf die Fensterbänke brechend voll war der „Alte Kammersaal“ im ehrwürdigen Gildenhaus der Bremer Handwerkskammer: Fast 80 junge Auszubildende und einige Gesellen, Altgesellen und auch ein Berufschullehrer waren gekommen, um mehr über Krebs durch Eiche und Buche zu erfahren. Diese Resonanz überraschte und „überwältigte“ auch die Veranstalter. Der eigens eingeladene Sachgebietsleiter für Gesundheitsschutz beim Bremer Gewerbeaufsichtsamt, Jahn, trug seine Erkenntnisse vor. Und die ließen die Azubis geschlagene zwei Stunden aufmerksam zuhören: Holzstaub, so Jahn, sei sowieso leichtentzündlich, beeinträchtige als Feinstaub die Atmung der Lunge, löse auch ganz ohne Gift und Kunststoff - Allergien aus und sei krebsverdächtig. Eine zweifelsfrei erhöhte Krankheitsrate für einen Krebs der Nasenhöhlen und Nasennebenhöhlen haben jüngste Untersuchungen in der BRD für die Menschen nachgewiesen, die den Stäuben von Eiche und Buche ausgesetzt sind. Diese Holzsorten kommen zwar nur mit 6% in der Verarbeitung vor, aber 45% der Krebserkrankungen hängen mit Eiche und Buche zusammen. Dieser Krebs ist inzwischen eine anerkannte Berufskrankheit, was es immerhin erleichtert, Entschädigungen von der Berufsgenossenschaft zu bekommen. Ob der Krebs durch mechanische Reizungen der Schleimhäute, durch Beizen, Lacke oder Gerbsäure, durch Pilze oder Pyrolyse (Erhitzung) oder alles zugleich zustande

kommt, ist noch völlig unklar.

Der gute Rat des Beamten: Staub beim Arbeiten absaugen, Masken tragen und eng andrücken, Nase putzen. Zwei Drittel der an Krebs Erkrankten hatten zuvor an nicht staub -abgesaugten Arbeitsplätzen gearbeitet. Beispiel: Eine abgesaugte Tisch

band-Säge bläst 2 mg Staub und Späne pro qm Luft heraus, eine nicht abgesaugte 32. „Und was ist mit Fegen?“ wollte pfiffig ein Azubi wissen. Bei der mehr technisch gemeinten Antwort kam prompt echte Freude auf: „Langsam arbeiten!“ Au ja. Ein Altgeselle erinnerte sich schlicht, daß

man früher immer „den Staub mit Wasser befeuchtet“ hätte: gute Idee, wurde wie neu weiterempfohlen. Denn, darin waren sich alle einig: Was der Unternehmer für Geräte anschafft, das ist nur schwer zu beeinflussen, auch wenn Betriebsräte sich da noch so abrackern. Sägen mit starken Absauganlagen und scharfen, exakten Schneiden kosten viel und bringen außer Gesundheit nichts ein. Eine Tischlerin aus dem ersten Lehrjahr las denn auch den Gewerkschaftern die Leviten: „Da streikt Ihr für ein paar Mark mehr und für's Ausschlafen am Samstag - dabei müßte doch die Gesundheit der Arbeitnehmer das aller-allerwichtigste sein!“ und dann an den Gewerbe -Aufseher: „Unzulängliche Maschinen verbieten oder stillegen zu lassen, das ist doch Ihr Job! Ich soll Tische machen.“

Nach der Veranstaltung waren viele Azubis noch ziemlich platt: „Nie was von gehört! Daß Holzstaub sooo gefährlich ist!“ Die Reichsbund-Azubis erzählten, daß unter ihren Tischen Masken bereitlägen; die ABC-Azubis wollten mal auf die Suche gehen. Eingeladen und motiviert zu der Veranstaltung hatten einige Lehrer der Alwin-Lonke-Straße die Unternehmer und Handwerksmeister hatten sich nicht gerade unterstützend hervorgetan. Ohne saftige Werbung für die zugegeben in kleinen Betrieben recht schwach vetretene Gewerkschaft ging es denn auch nicht ab. S.P

Immer am zweiten Dienstag im Monat ist ghk -Tischlertreffen: 18-20 Uhr bei der GEW, Löningstraße 35. Frauentreff: Jeder 2. Mittwoch im Monat, 19-21 Uhr, GEW.