Karriere oder Moral?

■ Manche Frauen überlegten, „es“ doch in Anspruch zu nehmen: Fruchtwasser-Testerei / „Spielball der Faschisten“?

Gar nichts schreiben will ich hier über den Vortrag selbst. Der war so kenntnisreich und spannend unter der drögen Überschrift „Geschichte der Humangenetik“ und „Das humangenetische Zentrum in Bremen“, daß das in der taz später und auf mehr Platz kommen soll. Aber: Viele Frauen

blieben eine geschlagene Stunde über die vorgesehen Zeit hinaus und debattierten. Und zwar ohne „Linienkämpfe“, ohne ideologische Besserwisserei, und mit ganz vielen Fragen. Daraus hier ein paar Splitter.

Wie leicht fällt rückblickend die Empörung über die Eugenik

auch schon vor dem Faschismus, wie differenziert und ambivalent beziehen wir heute Stellung! Daß Eltern, vor allem Mütter behinderter Kinder „um jeden Pubs, um jedes Klo erst kämpfen müssen“, berichtete eine Kindergärtnerin: „Ich kann verstehen, wenn Frauen das möglichst nicht wollen.“ Und sichtlich ihren ganzen Mut zusammennehmend berichtete eine, daß sie „es“ als Schwangere getan habe, das Verbotene: genetische Beratung. In der Familie des Kindvaters war das Down-Syndrom vorgekommen. Und dann: „Dr. Albrecht vom humangenetischen Zentrum hat von einer Fruchtwasser -Untersuchung abgeraten, weil das Fehlbildungs-Risiko dafür zu gering war.“ Die beiden wurden dafür nicht geschlachtet. Nicht nur, aber eher waren es die jüngeren Frauen, die sich „gegen individualistische Lebenskonzepte“ aussprachen und empfahlen zu überlegen, „wie Behinderte alternativ versorgt werden könnten“.

Andere sprachen aus: Daß sie keine 24-Stunden-Mutter sein wollen, daß sie eine Lebens-und Karriereplanung haben. Und trotzdem beim Selektionskonzept nicht mitspielen wollen.

Und dann der feministische Kampf gegen 218: „Auf meinem Kampf kochen jetzt die Eugeniker ihr Süppchen!“ Aber: Nur Frauen sollten doch entscheiden, keine Moral, kein Arzt, keine Kommission. Dürfen jetzt, in Kenntnis der eugenischen Zusammenhänge, nur noch die gesunden Kinder abgetrieben werden? „Keine Neue Moral, daß wir, als 'Spielball der Faschisten‘, schon wieder alles falsch machen!“ 'Gesunde‘ wird es bald kaum noch geben, warnten wieder andere. Schon sind Zucker-und Herz-Kreislauf-Krankheiten in den vorgeburtlichen Testkatalog aufgenommen worden. Eine Mutter landete schließlich den Hinweis: „Was meint Ihr, was es hier und heute bedeutet, überhaupt ein Kind aufzuziehen!“ S.P