Ein Staatssekretär, der fünf Senatoren überdauert hat, muß jetzt gehen: Der Staatssekretär für Justiz, Alexander von Stahl, räumte nach 14 Jahren Amtszeit seinen Stuhl/Ein typischer Amtsverwalter, der ungern in die Gefängnisse ging

Kaum daß er seine Entlassungsurkunde in Empfang genommen hatte, war er schon auf dem Weg zur Autobahn in die Ferien: Alexander von Stahl (FDP), der 14 Jahre den zweithöchsten Posten im Justizsenat bekleidete und fünf Senatoren kommen und gehen sah - zwei davon sogar zweimal. Der Schock darüber, daß er seinen lang gewärmten Stuhl ausgerechnet für Rot-Grün würde räumen müssen, war dem Staatssekretär bis vor wenigen Tagen deutlich ins Gesicht geschrieben, zumal dem 50jährigen die Aussicht auf ein Leben im vorgezogenen Ruhestand überhaupt nicht schmecken wollte. Doch sein alter Bekannter und früherer Chef Hermann Oxfort ließ ihn nicht im Regen stehen und bot ihm eine Stelle als Verwaltungsjurist in seinem Anwaltsbüro an. Von Stahl nahm dankend an.

Der gebürtige Berliner von Stahl gehört wie Oxfort zum rechten Flügel der FDP. Als Oxfort 1975 Justizsenator wurde, hievte er den Parteifreund von Stahl auf den Posten des Senatsdirektors. Oxfort mußte ein Jahr später wegen des Ausbruchs von vier Frauen von RAF und 2.Juni aus der Frauenhaftanstalt Lehrter Straße seinen Hut nehmen, aber von Stahl blieb. Er überdauerte den liberalen Nachfolger Jürgen Baumann (FDP), der wegen der Befreiung von Till Meyer aus der Haftanstalt Moabit zurücktrat, genauso wie dessen Nachfolger Gerhard Meyer (FDP). Er begrüßte und verabschiedete Rupert Scholz (CDU), der seinen Sessel zwischen März 1983 und Mai 1985 noch einmal Hermann Oxfort überließ, und packte jetzt mit dem Scholz-Nachfolger Ludwig Rehlinger (CDU) seine Sachen.

Der Staatssekretär, der in seiner Freizeit am liebsten segelt, trat nur selten auf Podiumsdiskussionen in der Öffentlichkeit auf. Er hat kein Charisma, war ein typischer Amtsverwalter, der nicht gut reden kann. Er ging nur ungern in Gefängnisse und schlug sogar einmal vor, Gefangene während des Hungerstreiks entmündigen zu lassen. Hungerstreiks waren für ihn Erpressungsversuche, denen man nicht nachgeben darf. Als es in der Hochzeit der Hausbesetzungen 1981 zu einem Konflikt zwischen dem SPD -Senat unter Vogel und der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft kam, leistete er nicht seinem Dienstherrn, sondern dem damaligen politischen Staatsanwalt und späteren Staatssekretär des Innensenats Wolfgang Müllenbrock Schützenhilfe. Müllenbrock und seine Kollegen hatten die Räumung mehrerer Häuser angeordnet, waren damit aber beim Polizeipräsident Hübner auf Granit gestoßen. Müllenbrock hatte daraufhin gegen Hübner und den damaligen Innensenator Dahrendorf ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitlung im Amt eröffnet. Von Stahl stellte sich offen gegen den Senat und wollte seinen Hut nehmen, aber Meyer ließ ihn nicht gehen.

1984 trieb es den Staatssekretären zu neuen Ufern, aber der freiwerdende Posten des SFB-Verwaltungsdirektors wurde ihm nicht zuteil. 1987 wollte er Berlin für eine Weile den Rücken kehren, um für die Friedrich-Naumann-Stiftung nach Buenos Aires zu gehen. Doch kurz bevor die Sache unter Vertrag war, verließ ihn plötzlich die Lust.

Ein Stück von Stahl ist 1987 auch in die Annalen des Frauenausschusses des Abgeordnetenhauses eingegangen. Der Staatssekretär hatte sich vor dem Ausschuß über „das unwahrscheinlich harte Urteil“ gegen einen 24jährigen Mann, der mehrere Frauen vergewaltigt hatte, mit den Worten empört: „Es waren wohl acht Stück.“

plu