DIE „ERSTE BERLINER WOCHE DES TELEFONS“

„Das Pferd ißt keinen Gurkensalat“ war der erste Satz, den der später von Graham Bell ausgebootete Vogelsberger Telefonschöpfer Philipp Reis 1861 in sein frisch erfundenes Medium sprach. Kanäle sind dazu da, daß irgend etwas in ihnen fließt, und sei's auch nur der galoppierende Schwachsinn des kommunikativen Gurkensalats, der seither zwangsläufig massenhaft übermittelt wird, nur weil die Möglichkeiten der Übermittlung unbegrenzt geworden sind.

Daß seit der Erfindung des Telefons nichts mehr so ist wie früher, weiß wohl auch die Forschungsgruppe Telefonkommunikation am Fachbereich Kommunikationswissenschaften der FU Berlin, denn schließlich beschäftigt sie sich schon seit fast zwei Jahren mit Telefonforschung und veranstaltet seit Donnerstag noch bis zum 27. März die „Erste Berliner Woche des Telefons“, und zwar mehr aus künstlerischer Sicht. Was die Kunst betrifft, so spielt allerdings schon gleich die Ausstellung Kulturgut Telefon in der Kongreßhalle (täglich 10 bis 19 Uhr) eher ins gurkensalatmäßige. Im gestreckten Galopp geht's hier einmal durch Geschichte und Zukunft des Telefons mit erläuternden Gestelltafeln (wg. D. Heideggerschen These, die Technik sei das Gestell), historischen Fernsprechapparaten, Bildtelefonen zum Ausprobieren, Werbestand der Post, PR-Environment der Firma GNT (Porty -Telefon: „Wo immer Sie sind, man findet Sie. Wenn Sie wollen“), einer verrotteten griechischen Telefonzelle, verschiedensten Fotos, Gemälden, Installationen, Videos und Assemblagen zeitgenössischer Künstler - anscheinend einzige Ausstellungsbedingung: sie müssen ein Telefon haben - und 1A -Siebdrucke von Bildern von richtigen, quasi teuren, toten Künstlern. Mit einem Wort: die Ausstellung ist irgendwie recht merkwürdig zusammengestellt.

Abends gibt's in der Kongreßhalle eine Reihe von Veranstaltungen. Heute um 20 Uhr: Tanzabend Rock'a Phone mit Tischtelefon. Morgen um 20 Uhr: Telephonanie - eine intime Verbindung - Ein Gespräch mit Gästen über erotische Telefonbeziehungen mit anschließendem Tanzabend. Am Dienstag um 19 Uhr: Der Draht, an dem wir hängen - Zur Soziologie der Telefonkommunikation mit Vorträgen von Klaus Beck, Joseph Hoppe und Ulrich Lange mit anschließendem Tanzabend. Am Mittwoch um 20 Uhr: Tanzabend Tango Bar mit Tischtelefon. Am Freitag um 20 Uhr: Das rote Telefon Zur Nutzung des Telefons in der Sowjetunion. Vortrag von Gästen aus Riga. Danach Tanz- und Kulturprogramm. Und am nächsten Samstag um 19 Uhr: Heimat am Draht? - Vortrag und Diskussion zur Bedeutung des Telefons für türkische Bürger in Berlin. Danach Tanz- und Kulturprogramm.

Im Arsenal gibt's unterdessen die passende Filmreihe und im Literaturhaus neben dem Literaturprogramm auch noch eine Fotoausstellung mit dem Titel Mensch und Telefon. Das Schloßpark-Theater zeigt heute und am 26. März noch einmal Jean Cocteaus Telefonstück Die geliebte Stimme und die Schiller-Theater-Werkstatt führt heute, am 23., 26., und 27. März El Salvador von Rafael Lima auf, weil da auch ein Telefon auftritt.

grr