: Fremde unter Fremden
■ Der erste Tag der neuen Schulsenatorin Sybille Volkholz in ihrer Behörde / Kennenlernen ist angesagt
Was macht die neue Schulsenatorin Sybille Volkholz am Tag der Amtsübernahme? Richtig: Sie schüttelt ihrer Vorgängerin in der Bredtschneiderstraße nochmal kurz die Hand und macht dann einen Rundgang - angefangen beim Hausmeister - bis sie irgendwann „oben“ bei den Chefs der Verwaltung angekommen sein wird. Und das kann noch dauern. Den Pförtner hat sie gestern schon auf ihre Seite gebracht: „Ich fand es sehr nett, daß sich die Senatorin bei jedem von uns persönlich vorgestellt hat. Das haben nicht alle gemacht, und ich habe schon so einige erlebt“, meint der Mann am Eingang. Schwerer wird sie es mit den höheren und hohen Beamten haben, die alles andere als auf Kurs sind. So zum Beispiel der rechtsgerichtete Landesschulrat Herbert Bath (Volkholz: „Einen Schulrat Bath halte ich nicht für tragbar.“). Der Konservative ist erstmal in Urlaub gegangen, vielleicht um nicht gleich von Anfang an dabeisein zu müssen.
Diese Freude machte sich dagegen der Pressesprecher von Hanna Renate Laurien, Spanier. Der Mann sitzt mit einem unbefristeten Vertrag vorerst weiter in der Behörde, weiß aber allem Anschein nach nicht ganz genau, was er zu und über die grüne Senatorin sagen soll. Dem Vernehmen nach will man ihn erstmal „Zeitungsausschnitte schnibbeln und sammeln lassen“. Fast könnte einem dieser Mensch, der jahrelang die Politik von Frau Laurien verkauft hat und jetzt auf verlorenem Posten steht, leid tun. Lange wird er wohl nicht mehr der sprachlose Pressesprecher sein. Es sei denn, die AL findet in den nächsten Jahren keinen anderen.
Auch die Sekretärinnen machen einen zumindest unsicheren, fast verwirrten Eindruck. Aber immerhin: Auch die neue Chefin ist Lehrerin und somit bleibt ein Häppchen Kontinuität, an dem die Damen erstmal zur Sicherheit knabbern können.
Zur Mittagszeit trudelt dann eine Abordnung der GEW in der von ihr übernommenen Behörde ein. Glückwünsche überreichen der neue 1.Vorsitzende Safter Ginar, die 3.Vorsitzende Monika Falkenhagen, der Geschäftsführer Udo Jeschal, sowie Schatzmeister Prause und Pressesprecher Schwerdtfeger. Gemeinsam mit Sybille Volkholz finden sie dann auf Anhieb den 6.Stock, wo die Kantine ist. Frau Volkholz: „Den 4.Stock kenne ich auch schon.“ Als stellvertretende GEW-Vorsitzende mußte sie hier auf den langen Gängen der Schulverwaltung schon des öfteren wandeln. Jetzt sitzt sie hier als Chefin im SenatorInnenzimmer.
Ganz hinten versteckt im letzten Winkel sitzen sie dann alle - GEW und neue Senatorin - und lassen es sich schmecken. Sie gehen nochmal die ersten Erfahrungen der neuen Schulsenatorin durch. Diese stärkt sich für die nächsten Besuche bei den Verwaltungsmenschen, die ebenfalls in der Kantine mit neugierig-zweifelnden Blicken das Treiben der neuen Riege beobachten. Fremde bestaunen Fremde. Kafka läßt grüßen. Noch ist der Graben zwischen Verwaltung und der neuen Senatorin kilometerweit. Da werden wohl aufs erste Rundgänge und Gespräche nur wenig helfen.
An dem langen Kantinentisch - zwischen den vielen GEWlern sitzt übrigens auch AL-Mann Hans-Jürgen „Cola“ Kuhn, der als zukünftiger Staatssekretär in der Behörde mitmischen will. Er soll sich besonders mit den Sportlern beschäftigen, die in Zukunft im Hause Volkholz Schlange stehen und um Geld bitten werden. Als Empfangschef darf er sich dann, nachdem er bisher sportpolitischer Sprecher der AL war, hervortun. Plötzlich haben sie es alle ganz eilig und verschwinden im Sitzungszimmer der Senatorin. „Wir werden in den nächsten Wochen wenig Zeit haben, es gibt viel zu tun. Gespräche bitte nur noch mit Anmeldung“, meint der designierte Staatssekretär.
Auf dem Weg nach draußen treffe ich den Pförtner wieder und der ruft mir zu: „Die Steine dieser Behörde sind verdammt geduldig, egal wer hier regiert, und wir Pförtner sind es auch.“ Jetzt will er sich gleich an die Arbeit machen und die Plastikbuchstaben auf den Hinweisschildern auswechseln. Damit die Namen der Neuen in der Behörde verewigt werden.
Theo Düttmann
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