Konflikt bei VDO eskaliert

Heute große Demonstration für hungerstreikende Vertrauensleute / Eiertanz der IG-Metall / Die beiden Türken hungern weiter / KollegInnen fordern bedingungslose Wiedereinstellung / Betriebsleitung schickt Abmahnungen / Solidarität anderer Metallbetriebe  ■  Aus Frankfurt Miriam Carbe

Die Auseinandersetzung um die Entlassung der beiden türkischen IG-Metall-Vertrauensleute in Frankfurt hat sich verschärft. Die Betriebsleitung der VDO (Vereinigte Deuta -Opta) droht, rechtliche Schritte einzuleiten. Als „Verleumdung“ wertete sie den Vorwurf der beiden ehemaligen Arbeiter, sie plane bei einer Verlegung des Werkes an den Stadtrand oder aufs Land, rund 1.000 Beschäftigte zu entlassen. „Wir waren aus Gründen, keine Menschenleben in Gefahr zu bringen, bereit, die beiden ehemaligen Mitarbeiter, die Herren Taskin und Pek, vorläufig weiterzubeschäftigen.“ So beginnt der offene Brief, den die Geschäftsleitung der VDO gestern an die Mitarbeiter im Werk verteilen ließ. Im weiteren Text wird bedauert, daß „diese menschliche und entgegenkommende Geste“ die „extremen Gruppierungen nicht von dem weiteren Versuch abgehalten hat, unser Unternehmen und unsere Mitarbeiter zu verleumden.“

Zu der „menschlichen Geste“ hatte sich VDO Anfang dieser Woche durchgerungen, als sich Zafer Taskin und Mevlüt Pek schon seit knapp 14 Tagen im Hungerstreik befanden. Der Kompromißvorschlag war die Antwort auf die große Resonanz, die die Aktion der Arbeiter in der Öffentichkeit fand. Sie hatten gegenüber der Firma im Stadtteil Bockenheim ein Zelt aufgebaut und über 500 Unterschriften gesammelt.

Die beiden ehemaligen Arbeiter lehnen eine befristete Wiedereinstellung bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichtes jedoch ab. „Sie wollen nur unseren Widerstand brechen“, erklärte Zafer Taskin. „Uns geht es ja nicht nur um unseren Fall. Sobald wir wieder eingestellt werden, schicken sie die dreißig anderen Kündigungen los, die sie jetzt schon auf dem Tisch liegen haben.“

Tatsächlich scheinen die Proteste der Belegschaft des Betriebs mit - noch - 2.500 meist türkischen Beschäftigten der Geschäftsleitung allmählich über den Kopf zu wachsen. Ein Kantinenboykott, der die Forderung nach bedingungsloser Wiedereinstellung der beiden Vertrauensleute unterstreichen soll, dauert seit vergangenem Freitag an. Die Betriebsleitung reagierte mit Abmahnungen - ohne Erfolg. An einer Demonstration am Montag nach der Frühschicht nahmen rund 400 ArbeiterInnen teil.

Und für die heutige Demonstration um zehn Uhr morgens werden TeilnehmerInnen aus allen Metallbetrieben Frankfurts erwartet. „Wir hatten eine Vollversammlung mit den Betriebsräten und Vertrauensleuten von AEG, Braun und vielen anderen“, teilte ein VDO-Arbeiter und Mitglied des „Solidaritätskomitees“ gestern mit. Fortsetzung auf Seite 2

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Und: „Es wurden insgesamt 15.000 Flugblätter in allen Betrieben verteilt.“ Nicht gut zu sprechen ist das „Solidaritätskomitee“ auf die IG-Metall. Auch sie hat in einem Flugblatt zur Demonstration aufgerufen. „Aber ihre Forderungen sind nicht unsere Forderungen“, sagt Mevlüt Pek. Die Gewerkschaft drücke sich davor, zu dem Hungerstreik eindeutig Stellung zu nehmen. Sie sei auch bereit, eine Verlegung des Werkes zu akzeptieren. „Wir haben das Flugblatt der IG-Metall nicht verteilt“, erzählt eine Studentin: „Die machen doch einen Eiertanz“. Daß der Landesvorsitzende des hessischen Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Karl-Heinz Jungmann, auf der großen Anti-NPD

Demonstration am vergangenen Montag, dem Tag nach der Kommunahlwahl, einen Solidaritätsstreik der IG-Metall angekündigt hatte, scheint der Einzelgewerkschaft schwer im Magen zu liegen.

Der taz gegenüber äußerte sich Jungmann zurückhaltend. Er sei von der IG-Metall gebeten worden, etwas zu den Entlassungen zu sagen. Einen Streik habe man in der IG -Metall-Ortsverwaltung wohl „so diskutiert“. Das „Solidaritätskomitee“ wird heute auch ein kritisches Flugblatt zum Verhalten der IG-Metall verteilen.