Kohl sah nur „Kunstfehler“

Im zweiten Anlauf genehmigte am Freitag abend die CDU/CSU-Fraktion die familienpolitischen Vereinbarungen mit der FDP / Die unbotmäßige CDU/CSU-Fraktion konnte geringe Änderungen durchsetzen  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Ob die magere Nachbesserung es wert gewesen sei, Kohl eine solche Blamage zu verpassen, wurde der parlamentarische Geschäftsführer Seiters nach dem Ende der abendlichen Fraktionssitzung gefragt. Er sehe darin nichts Dramatisches, erklärte Seiters, und sang das Hohe Lied der unabhängigen Fraktion, die in „leidenschaftlicher Weise um die beste Lösung gerungen“ habe. Und in einer Koalition gebe es eben immer einmal Abstimmungsprobleme. In der Tat ist dies wohl das klarste Ergebnis einer hektischen Woche: Die Unions -Fraktion ist nicht mehr das folgsame Instrument der Bundesregierung - beziehungsweise des Kanzlers.

Einen ganzen Tag hatte Kohl auf Geheiß der Fraktion mit der FDP nachverhandeln müssen. Zustimmung fand nun eine Erhöhung des Zweitkindergeldes um 30 Mark ab Juli 1990 - also noch vor der Bundestagswahl. Die von der Fraktion zuerst abgelehnte Vereinbarung sah eine Erhöhung um 40 Mark ab 1992 vor. Ansonsten ist beim Clinch mit der FDP nichts herausgesprungen: Es bleibt bei der Verlängerung des Erziehungsgeldes von 12 auf 15 Monate ab 1.Juli 1989 und auf 18 Monate ab 1.Juli 1990. Unverändert auch die von der FDP verlangte Steuerabschreibung für Haushaltshilfen bis 12.000 Mark, die in der Fraktion besondere Wut hervorgerufen hatte.

Kanzler Kohl kündigte unterdessen an, er wolle im Osterurlaub über eine Kabinettsumbildung nachdenken. Eine Trennung vom Amt des Parteivorsitzenden lehnte er ab. Auch von einer „Niederlage“ in der Fraktion könne nicht gesprochen werden, sondern lediglich von einem „Kunstfehler“.

Es sei aufgrund eines „Mißverständnisses“ versäumt worden, die familienpolitische Arbeitsgruppe der Partei rechtzeitig einzuschalten. Von Kommunikationsschwierigkeiten mit der Fraktion aber könne nicht geredet werden, erklärte der Kanzler, bevor er zum Abspecken nach Österreich fuhr.

Die SPD sieht in den familienpolitischen Vereinbarungen der CDU/FDP „echte Niedergangserscheinung“, geprägt von „Chaos und Panik“. Von der Erhöhung des Zweitkindergeldes würden nur 2,3 Millionen der insgesamt 12 Millionen Kinder erreicht. Gerade das erste Kind aber verursache die höchsten Kosten. Ingrid Matthäus-Meier, die finanzpolitische Sprecherin der SPD, kritisierte das FDP-Steuergeschenk an Haushalte mit Haushilfen als „Dienstmädchen-Freibetrag nach Gutsherrenart“.