Wahlen statt Frieden

Vor einigen Wochen noch hatte es nach einer Sensation ausgesehen, das Ende des neun Jahre währenden Bürgerkriegs schien in greifbare Nähe gerückt. El Salvadors Guerilla FMLN hatte angeboten, das Ergebnis der anstehenden Präsidentschaftswahlen anzuerkennen - und dann auch noch in Aussicht gestellt, die Waffen niederzulegen. Die Bedingungen: Regierung und Armee sollten die Wahlen um ein halbes Jahr verschieben, ein Waffenstillstand sollte geschlossen und die Voraussetzungen für faire Wahlen geschaffen werden.

Die Armee sollte ihre Truppenstärke von 52.000 Mann auf den Vorkriegsstand von 12.000 Soldaten reduzieren und das Innenministerium eine einzige Polizeitruppe einrichten, die nicht mehr zur Repression der politischen Opposition eingesetzt werden dürfe. Bisher agieren drei verschiedene sogenannte „Sicherheitsorgane“, alle stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums und sind für die Ermordung zahlreicher Politiker und Gewerkschafter der Linken verantwortlich.

Die zweite Überraschung nach dem Guerilla-Angebot: El Salvadors todkranker (christdemokratischer) Präsident Jose Napoleon Duarte, der jede Wahlverschiebung erst für „verfassungswidrig“ hielt, wurde plötzlich gesprächsbereit just nachdem die neue US-Administration das FMLN-Angebot für „interessant“ befunden und Bush sogar seinen Vizepräsidenten Quale nach San Salvador geschickt hatte, der der salvadorianischen Armee in ungewohnt harten Worten klarmachte, mit den Menschenrechtsverletzungen gehe es so nicht weiter.

Der Grund für die öffentliche Geißelung war wohl nicht, daß das Menschenrechtsbüro der Jesuitenuniversität in Sal Salvador für 1988 dreimal so viele politische Morde wie im Vorjahr gezählt hatte (allein in den ersten neun Monaten 69 Opfer). Ronald Reagan hatten schließlich die Todesschwadronen nie gestört. Um seine Militär- und Wirtschaftshilfe an das Duarte-Regime durchzudrücken (zuletzt 438 Mio. Dollar im Jahr), hatte er pünktlich alle sechs Monate dem Kongreß eine „Verbesserung der Menschenrechtslage“ in El Salvador attestiert.

Entscheidender für den Kurswechsel unter Bush war wohl der Mißerfolg der bisherigen US-Politik: Die von Reagan hochgepäppelte Christdemokratie war im Korruptionssumpf untergegangen, hatte schon die Parlamentswahlen im vergangenen Frühjahr haushoch an die rechtsextreme „Arena“ verloren. Und: die Guerilla war im vergangenen Jahr erheblich stärker geworden, am laufenden Meter hatte sie Armeekasernen attackiert und bisweilen sogar abgefackelt.

Schließlich weht auch mit dem Ende der nicaraguanischen Contra und ihrem voraussichtlichen Abzug aus Honduras in der gesamten Region ein neuer Wind - nicht gerade günstig für die Hardliner im Nachbarland.

Doch selbst Bush hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, als er gegenüber der Guerilla Gesprächsbereitschaft signalisierte: Arena (ohnehin eng verflochten mit dem Todesschwadronenflügel der Militärs) hatte wenig Interesse, sich den greifbaren Sieg durch eine Verschiebung der Wahlen nehmen zu lassen. Wohl eher zur Imagepflege schloß sie sich einer Resolution aller 13 Parlamentsparteien an, die Verhandlungen mit der FMLN über ihren Vorschlag forderte.

Das entscheidende Nein kam dann von den Militärs. Präsident Duarte bot zwar noch eine Verschiebung der Wahlen um sechs Wochen an - wohlwissend, daß die FMLN kaum darauf eingehen würde. Denn dazu ist El Salvadors Bevölkerung in ihrer Mehrheit zu sehr eingeschüchtert - alle bisherigen Wahlen sind von der Armee organisiert worden-, als daß sich in so kurzer Zeit Chancengleichheit für die linke „Convergencia“ herstellen ließe. Das zeigt auch die jüngste Wahlumfrage der Jesuitenuniversität (siehe Artikel oben): 54,5 Prozent der Befragten hielten sich bedeckt („weiß noch nicht“) oder weigerten sich, ihre Präferenz preiszugeben.

Nun finden die Wahlen, wie geplant, an diesem Sonntag statt. Die FMLN hat zwar einen „Verkehrsboykott“ verkündet, einige Hochspannungsmasten in die Luft gejagt und damit in der Hauptstadt die Lichter ausgehen lassen; am Mittwoch wagte sie sich wieder einmal mitten in die Hauptstadt und beschoß mit Mörsern und Raketenwerfern den Präsidentenpalast und eine Kaserne.

Doch am Wahltag selbst will sie eine Pause einlegen. Schließlich kann sie nicht ihren eigenen Verbündeten Ungo von der „Convergencia“ boykottieren, der trotz des „Klimas der Angst und Repression“ (siehe Interview) kandidiert. Seine WählerInnen müssen ja auch irgendwie zu den Urnen gelangen.

Michael Rediske