(K)eine Frauensache

■ Isabelle Huppert als definitiver Mittelpunkt in Claude Chabrols neuem Film „Une affaire des femmes“

„Romantisch bist Du nicht gerade“. - „Ich bin ein Mann“.

Nach einer ganzen Reihe von Arbeitsergebnissen, die eher nach Routine und solidem Handwerk dünsteten, hat Claude Chabrol ein schwieriges Thema angepackt. „Wenn Sie wollen, ist dies die Geschichte einer Frau, die für etwas hingerichtet wurde, was heutzutage von der Krankenkasse bezahlt wird“, sagte er selbst über sein neues Werk.

Auf dem Küchentisch steht ein geschenktes Grammophon. Zur Herkunft erklärt Marie lakonisch: „Es ist von Genette, ich hab‘ ihr bei 'was helfen können. 'Ne Frauensache“. Eine Frauensache bleibt aber beileibe nicht nur die Sache der Frauen.

Frankreich, kurz nach Beginn des Krieges. Die Männer lassen sich auf den Schlachtfeldern den Hintern wegschießen und zu Hause warten die Frauen mit ihren Kindern darauf, was von den Ehemännern noch übrig geblieben ist. Das Essen ist knapp, und die Freuden des Lebens sind es auch. Da kommt es schon einmal vor, daß in Ermangelung des eigenen Mannes ein anderer herhalten muß, um Bedürfnisse nach Nähe und Wärme zu erfüllen. Die Folgen solcher Zusammenkünfte werden dezent behandelt, auf dem Küchenboden.

Marie (Isabelle Huppert) hat sich mehr aus Anteilnahme denn aus Geschäftssinn auf Abtreibungen verlegt. Ihr war gleich klar, daß eine Senflösung, in der ihre Nachbarin hockt, die ungewollte Schwangerschaft nicht beenden wird. So greift sie pragmatisch zu anderen Mitteln, nimmt das Problem gleichsam in die Hand. „Ich kann Dir behilflich sein, wenn Du etwas loswerden willst“, dient sie sich auch später an, ihr Handwerk beginnt sich auch finaziell zu tragen. Ganz ohne eine Planung

stellt sie ihr Leben auf eigene Füße, sie braucht ihren Ernährer nicht mehr. Doch gerade dieser taucht unvermittelt zu Hause auf, eine Verletzung hat ihn kriegsuntauglich gemacht. Marode und depremiert kommt er sich vor, niemand braucht ihn mehr so recht, Marie will ihn jedenfalls schon gar nicht. Sie möchte etwas leisten, sie will prosperieren. Dazu benötigt sie keinen Mann. Eine Frauensache eben.

Chabrol läßt es aber nicht dazu kommen, die Männer einfach auszuklinken. Es ist Krieg und der wird von Männern gemacht. Die reaktionär-opportunistische Vichy-Regierung im besetzten Frankreich besteht auch aus Männern, die Gott, Familie und Vaterland auf ihre Fahnen geschrieben haben. Gerade diese Kontrapunkte verbindet Chabrol zu einem fesselnden Handlungsstrang. Marie macht Geschäfte, sie konsumiert, hält sich einen Liebhaber, vermietet Räume an Prostituierte, verkuppelt ihren Ehemann mit der Zugehfrau, nimmt weiter Abtreibungen vor und liebt ihre Kinder - ganz ohne die Hilfe der Männer. Sie hat gelernt, ihre Frauensicht in Taten umzusetzen, doch eine existenzielle Tatsache vergißt sie völlig. Die Welt um sie herum ist weiter männerdominiert. Eine einzige Denunziation genügt.

Sie kommt ins Gefängnis und wird wegen 23 Abtreibungen von einem Sondergericht angeklagt. Männer kennen kein Erbarmen, wenn sie eigene Niederlagen kompensieren, das hat sie erkennen müssen. „Wenn Männer einen Krieg verlieren, werden sie böse wie verwundete Stiere“. So bedeutet das Unvermögen der Männer den Tod der Frau. Allein eine Frauensache? Keinesfalls.

Jürgen Francke Schauburg, 21 Uhr