Werder vom Grabbeltisch

■ Erfolgs-Bilanz eines verkauften Spiels: Knapp gewonnen, hoher Umsatz, prima Werbung

Zufrieden waren fast alle: der französische Autoproduzent hatte sein Produkt über Presse und Fernsehen vermarktet. Werder zählte 50.000 DM Sondereinnahme. Bremer FußballfreundInnen konnten für acht Mark unter dem Tribünendach sitzen. Ein Festzelt war da. Und soviele Frauen und Kinder wie selten. Die Sonne schien. Nur das Fußballspiel Werder Bremen gegen Waldhof Mannheim fiel etwas aus dem geplanten Werbe-Rahmen: Erst kurz vor dem Abpfiff hatte der Gegner ein Einsehen und ließ den 2:1 Sieg der Bremer zu. Da standen die meisten der 37.000 Besucher schon wieder an den Theken rund ums Stadium und spülten den Ärger über den Elfmeter in Mailand und das nicht gewonnene Auto des französischen Produzenten runter, das ZDF-Jungstar Jauch verlost hatte.

Der Grund zur Zufriedenheit war neuartig. Werder hatte ein Fußballspiel gleich zweimal verkauft. Schließlich hat Werder ja Saison-Sponsoren, die rund 1 Millionen Werbeeinnahmen bringen; schließlich hatten 6.200 Dauerkarteninhaber das Spiel schon teuer bezahlt; schließlich hatte RTL seine Fernsehmillion schon abgedrückt. Das alles inklusive wurde Waldhof-Werder an besagten Autohersteller verscheuert. Für nur 120.000 DM bar (geschätzte Einnahme ohne dieses Manöver: 70 000 Mark). Noch mal 150.000 Mark ließ sich der Käufer die Werbung kosten. Den gleichen Betrag nahm er durch Eintrittskarten ein. Für ihn ein gutes Geschäft. Gratis -Sendeminuten in allen Programmen und dicke Berichte in allen Zeitungen. Schlagzeilen, fast umsonst, wenn man bedenkt, daß eine Doppelseite im „Stern“ schon 200.000 Mark kostet.

Den Familien, die von Aurich und Arbergen, von Zeven und sogar aus Zwolle (Niederlande) natürlich per Auto anfuhren, war diese Bilanz egal. Sie hatten wohl so eine Art Stadtfest im März erwartet. Mit Kinderrummel, Jokeund Freibier. Aber so amerikanisch ist nun weder der SV Werder noch die französische Firma. Ihre Autos rollten durchs Stadion wie die anderer Firmen bei anderen Spielen. Die trachtengeschmückten Spielmannszüge trommelten wie immer. Die Mädchen mit den nackten Beinen warfen irgendwas in die Luft, wie immer. Und Günter Jauch oder Christian Günther, irgendwer redete durchs Mikrofon. Wie sonst auch.„Die Generalprobe ist gelungen“, jubelte Verkaufs-Manager Willi Lemke hinterher. Das heißt: Wir können noch mehr solche Spiele erwarten.

Dann aber bitte richtig. Wir haben ja am Samstag gesehen, daß Fußball allein zu geringen Unterhaltungswert hat. Warum sollte also nicht der Verpackungskünstler Christo das Weserstadion in Plastikplane einhüllen? Warum sollte nicht eine amerikanische fast-food-Kette Big-Macs in den jeweiligen Vereinsfarben als Wurfgeschosse verteilen? Irgendwie müssen die Leute doch ins Stadion gelockt werden. Und dort könnte dann aur Anzeigetafel auch immer wieder der Elfer aus Mailand eingespielt werden. Das schafft mehr Stimmung als die schickste goldene Uhr für die Schiedsrichter. Bewerber für den Ankauf der nächsten Ereignisse rund um Werder melden sich bitte telefonisch unter der Ruf-Nr. 498106.

my U-Satz:!!!!