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Reichsfahne brannte in Aachen

500 demonstrierten letzten Donnerstag gegen eine Kundgebung von acht Mitgliedern der FAP  ■  Aus Aachen Bernd Müllender

Die plötzlichen Wahlerfolge der Rechtsextremisten bringen nicht nur neue rot-grüne Rechenkonstellationen, sondern auch die Menschen wieder auf die Straße. Gut 500 waren Donnerstag abend trotz Regen im politisch meist schläfrigen Aachen auf den Beinen, und das, obwohl der Anlaß für sich genommen eine lächerliche Darbietung war. Nachdem am vergangenen Samstag ein Treffen der rechtsradikalen Freiheitlichen Arbeiter Partei (FAP) durch eine Kneipenbesetzung von linken DemonstrantInnen verhindert worden war (taz vom 13.3.), meldeten die Rechtsradikalen nun eine Kundgebung an.

Acht Bürschlein bauten sich in der Innenstadt unter 300fachem Polizeischutz auf, um ihre Heilslehren zu verkünden. Neben den bekannten düsterbraunen und deutschnationalen Parolen beeindruckten sie durch hübsche Formulierungen, „zinslose Ehestandsdarlehen“ wurden ebenso gefordert wie „Schluß mit der Begeiferung der nationalen Parteien“, und „Plünderer und Brandstifter müssen bestraft werden.“

Das wollte einer der Demonstranten rund um den staatsgrün hermetisch abgeriegelten Platz nicht einsehen. Er hatte sich unbemerkt nach innen geschlichen, stürmte auf die FAPler los, entriß einem die Reichsfahne mit dem stilisierten Hakenkreuz, durchstürmte mit der Beute den Polizeikordon und setzte in der begeisterten Menge das Stoffstück in Brand. Die Polizei reagierte ihre Schlafmützigkeit mit Stockhieben auf die DemonstrantInnen ab. Die acht verwirrten Gestalten forderten, als die Strafe für den untergetauchten „Plünderer“ und „Brandstifter“ ausblieb, mit martialischen Gesängen „marschierende Soldaten“ und „neue Kameraden“. Eine alte Frau am Rande: „Mein Gott, es ist wieder wie früher“.

Im Laufe des Abends kam es in der Innenstadt zu heftigen Prügeleien zwischen allen drei Lagern. Als zwölf weitere FAPler auftauchten und die Linken provozierten, „bis denen die Seele überkochte“ (so der Polizeisprecher zur taz), schützte die Polizei die Jungfaschisten in ihren Wagen, worauf die DemonstrantInnen nach Polizeiangaben versuchten, die grünen Autos zu stürmen und umzuwerfen. Darauf kesselte die Polizei - „weil unsere Jungs Angst bekamen“ - die Antifaschisten ein und nahm 49 von ihnen, weil sie „Waffen, wie faule Eier und Knallkörper“ dabei hatten, vorläufig fest.

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