„Eine dicke Werbeentscheidung“

■ Streit zwischen dem Öko-Institut „IföR“ und dem Fahrradkollektiv „Velophil“ über Reklameprospekte / Jürgen von „Velophil“: „Rohstoff- und Energieverschwendung!“

Keine einseitige Werbung war es, die der Fahrradladen „Velophil“ kürzlich der Berliner Ausgabe der taz beilegen ließ; nein, der Prospekt des Moabiter Kollektivs hatte 24 Seiten. Auf gutem, weißem Papier, nur spärlich mit Text und Bild bedruckt, machte „Velophil“ zum Frühlingsanfang den Fahrradkauf schmackhaft, auf überaus gekonnte Weise. „Eine Menge Kunden“ habe der Prospekt gebracht, schwärmt Rolf, einer der sechs Mitinhaber des Ladens. Um so mehr wunderte er sich jetzt über einen Brief des Instituts für ökologisches Recycling („IföR“), der dem Kollektiv vorrechnet, was die Herstellung der 20.000 Prospekte noch alles mit sich brachte: „einen Energieverbrauch von 29.760 Kilowattstunden Strom - was der Wärmeenergie von 3.656 Kilogramm Steinkohle entspricht -, eine Wasserbelastung von 98 Kilogramm Chlorid und eine Luftbelastung von 125 Kilogramm Schwefeldioxid.“

„Stellen Sie sich vor, Sie nähmen diesen Prospekt zur Hand, obwohl sie das eigentlich nicht nötig hätten, Werbung zu lesen“, hatte „Velophil“ in seiner Beilage geschrieben. Die Müllexperten antworteten im selben Duktus: „Stellt Euch vor, wir hätten Euren Prospekt nicht gelesen, Ihr hättet dies alles nicht erfahren. So gesehen, hätte sogar ein so folgenschwerer Fehler wie diese sinnlose Werbebeilage noch sein Gutes.“ Sogar von „Profitmaximierung“ ist im Brief der Abfallexperten die Rede.

Rolf von „Velophil“, der wie seine fünf MitkollektivistInnen 1.500 Mark im Monat verdient, kann das „nicht allzu ernst nehmen“. Auch ein Kollektiv müsse sich im „real existierenden Kapitalismus“ behaupten. Und deshalb gelte: „Ohne Werbung läuft die Kiste nicht.“ „Stark“ war die Beilage, heißt es auch in der Anzeigenabteilung der taz. Ihre kämpferische Antwort: „Wir entschuldigen uns nicht.“ „Die Beilage war eine ganz pfiffige Werbung“, räumt selbst Jürgen Halbekath vom „IföR“ ein. Ein „säuerlicher Moralapostel“ will der Abfallberater gar nicht sein, versichert er; natürlich weiß er, daß die „Marktmechanismen“ auch für ein Kollektiv gelten. Dennoch sei „so eine dicke Beilage“ für Szeneverhältnisse ein „Novum“, mahnt er. Er wollte, sagt Halbekath, mit seinem Brief den Fahrradhändlern nur das „Bewußtsein“ schärfen und ein „Informationsdefizit“ abbauen.

Das ist ihm auch gelungen. „Informativ“ fand „Velophil“ den Brief durchaus. „Wir wurden dadurch sensibilisiert“, sagt Rolf. Und „IföR„-Mann Halbekath ist bei alledem offensichtlich selbst ein Werbeprofi. Der Radprospekt, das räumt der Müllmann ein, war einfach „der optimale Anlaß“, auf die neu gegründete Abfallberatungsstelle des Müllinstituts aufmerksam zu machen - Werbung also.

hmt