Bauchschmerzen mit Wagner

■ Interessengemeinschaft Eisenbahn und Nahverkehr (IGEB) hält neuen Verkehrssenator für ungeeignet / Kritik an Koalitionsbeschlüssen über weiteren U-Bahnbau geäußert

Mit unverhohlener Enttäuschung hat gestern die Interessengemeinschaft Eisenbahn und Nahverkehr (IGEB) die Bestellung des Gewerkschafters und rechten SPD-Altforderen Wagner zum neuen Senator für Arbeit, Betriebe und Verkehr aufgenommen. Zum einen befürchte man, daß der bisherige Berliner IG-Metall-Vorsitzende gemessen an seiner Gewerkschaftsfunktion über Gebühr auf den Berufszweig der in der IG Metall organisierten MitarbeiterInnen der Automobilindustrie Rücksicht nehmen werde, sagte der IGEB -Vorsitzende Gerhard J. Curth. Noch gravierender sei, daß Wagner wohl kaum in der Lage sein werde, bei der BVG „aufzuräumen“. Curth wörtlich: „Die BVG ist ein riesengroßer Wasserkopf, der durch eine Übermitbestimmung fast nicht arbeitsfähig ist. Das Personal aalt sich im Grunde im Netz der sozialen Errungenschaften dieses Arbeitgebers, und der Fahrgast ist so die wichtigste Nebensache.“ Hier habe auch der frühere Senator Wronski, der ja kein Gewerkschafter gewesen sei, wenig ausgerichtet. Es sei zu befürchten, daß es der jetzige noch weniger könne. So müsse die IGEB Angst haben, daß die Belange der Fahrgäste in den nächsten vier Regierungsjahren „eben nicht die große Rolle spielen“ könnten.

Wunschkandidat der IGEB war Curth zufolge der jetzt auf den Posten des Finanzsenators abgeschobene SPD-Linke Norbert Meisner. Meisner habe zusammen mit der Fahrgastorganisation erfolgreich für die Inbetriebnahme von weiteren S -Bahnstrecken gekämpft.

Ungeachtet der mit Mißmut aufgenommenen Senatorenwahl begrüßte der IGEB-Sprecher ausdrückich die Absicht von SPD und AL, dem öffentlichen Nahverkehr, der Eisenbahn sowie dem Fahrrad- und Fußgängerverkehr Vorrang vor dem Auto- und Flugverkehr einzuräumen. Zum überwiegenden Teil seien die verkehrspolitischen Forderungen der IGEB in den Koalitionsvereinbarungen berücksichtigt worden. Positiv vermerke man auch, daß Interessenverbände schon in der Entstehungsphase verkehrspolitischer Entscheidungen beteiligt werden sollten. Nach Auffassung der IGEB ist eine stadtverträgliche Verkehrspolitik jedoch nur vorstellbar, wenn die Federführung für den im Rahmen des Flächennutzungsplans entwickelten sogenannten Stadtentwicklungsplan Verkehr von der Verkehrsverwaltung auf die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz übertragen wird.

„Kaum ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Senatspolitik“ ist nach IGEB-Geschmack der Koalitionsbeschluß, für den Weiterbau der U-Bahn nach Lankwitz ab 1993/94 die jährliche Begrenzung der Baumittel auf 60 Millionen Mark aufzuheben. Ferner wurde kritisiert, daß der teure U-Bahnbau ausdrücklich aus wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gründen fortgesetzt werden solle.

thok