„Offene Republik“ kontra „nationale Interessen“

Kaum Zustimmung zu Zimmermanns Reformplänen für ein neues Ausländerrecht / FDP und SPD beziehen in ihren Vorschlägen Position für eine „liberale Ausländerpolitik“ / Grüner Gesetzentwurf gegen die Vorstellung von „besseren und schlechteren“ Ausländern  ■  Aus Bonn Ferdos Forudastan

Multikulturelle Gesellschaft, nationale Identität, Einwanderungsland: diese Begriffe schwirren in den letzten Wochen vor allem durch die Bonner Luft. Mit ihnen werden Positionen angegriffen und verteidigt. Und hinter ihnen verbirgt sich, worum es eigentlich geht: die Ausländerpolitik, genauer das Ausländerrecht, noch genauer die längst überfällige Reform des Ausländerrechts. Denn darüber, wie die aussehen soll, gehen die Meinungen in Bonn weit auseinander.

Kaum Zustimmung haben die Pläne von Innenminister Zimmermann bekommen, die dieser letztes Jahr präsentierte. Sie sehen die Aufspaltung in ein recht liberales Ausländerintegrationsgesetz und ein äußerst restriktives Ausländeraufenthaltsgesetz vor. Letzteres gilt für alle nach 1973 eingereisten Ausländer, ihnen macht es den Zuzug fast unmöglich: Eine Aufenthaltserlaubnis wird danach für höchstens acht Jahre erteilt. Die Umwandlung in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung soll enorm erschwert werden. Sozialdemokraten, Grüne, Kirchen und Gewerkschaften kritisierten diese Vorstellungen heftig. Aber auch die CDU -Sozialausschüsse und die sogenannten Reformer der Union um Heiner Geißler waren nicht einverstanden: Sie redeten einer „offenen Republik“ das Wort, die dem von Zimmermann ins Feld geführten „nationalen Interesse“ wohl kaum entspricht.

„Den Geist des 19. Jahrhunderts“ atmeten nach Ansichts des FDP-Politikers Burkhard Hirsch die Pläne des Innenministers. So legten die Freidemokraten im März letzten Jahres davon verschiedene „Positionen einer liberalen Ausländerpolitik“ vor. Ihnen zufolge soll eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach fünf Jahren in eine unbefristete umgewandelt werde. Familienangehörige sollen mehr Rechte bekommen. Ähnliche Vorstellungen liegen auch einem Gesetzentwurf der SPD zugrunde, der letzte Woche in Bonn vorgestellt wurde. „Es soll mit der großen Lebenslüge unserer Republik, sie sei kein Einwanderungsland, aufgeräumt werden“, kündigte der SPD -Abgeordnete Thomas Schröer dazu an. Geplant sind drei Stufen der Integration von Ausländern: Eine Aufenthaltserlaubnis, die zweimal verlängert werden kann, ein Niederlassungsrecht, das nach acht Jahren Aufenthalt erteilt wird, und - alternativ zum Niederlassungsrecht - die Möglichkeit, sich einbürgern zu lassen. Ehegatten und Kinder sollen nach dem vollendeten 18. Lebensjahr eine Aufenthaltserlaubnis aus eigenem Recht erhalten. Den Nachzug der Kinder will man bis zum 18. Lebensjahr (bisher 16. Lebensjahr) erlauben. In bestimmten Fällen sollen Ausländer, die nach längerem Aufenthalt die Bundesrepublik verlassen, eine Wiederkehroption erhalten.

„Wir wollen mit dem Entwurf die Abkehr von einem Ausländerrecht herbeiführen, das polizeistaatlich ist und auf dem Gedanken der Gefahrenabwehr aufbaut“, so wollte Willfried Penner (SPD) die Ziele seiner Partei verstanden wissen. Allerdings: Der Entwurf widerspricht diesem Anliegen in einigen wesentlichen Punkten: So können in bestimmten Fällen selbst Ausländer, die seit mehr als fünf Jahren hier leben, ausgewiesen werden, wenn sie eine Straftat begangen haben. Ausgewiesen werden dürfen auch solche Ausländer, die mit einer verbotenen Vereinigung zu tun haben. Außerdem müssen sie für eine dauernde Aufenthaltserlaubnis Deutsch lernen.

„Mit solchen Maßnahmen institutionalisiert man die Vorstellung davon, daß es bessere und schlechtere Ausländer gibt“, meint die grüne Abgeordnete Erika Trenz zu diesen Einschränkungen. Sie selbst legte vorige Woche für ihre Partei einen eigenen Gesetzentwurf zum Ausländerrecht vor, der mit dem Gedanken der Gefahrenabwehr nichts mehr gemeinsam hat: Danach sollen Ausländer etwa nach fünf Jahren schon das Recht auf Einbürgerung erhalten - neben einer Niederlassungsberechtigung und ohne daß sie ihre eigene Staatsbürgerschaft abgeben müssen. Eine Wiederkehroption soll unbegrenzt gewährt werden. Nachgezogenen Ehefrauen will man mit dem Tag der Einreise ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gewähren. Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten soll unabhängig vom Bestand der Ehe sein. Die Möglichkeit, Aufenthaltsberechtigte abzuschieben, will man ganz abschaffen. Um soziale Gleichstellung zu erreichen, sollen Ausländer die gleichen Sozialleistungen wie Deutsche ebenso erhalten wie den freien Zugang zu Universitäten und zum öffentlichen Dienst. Schließlich gewährt ihnen der Gesetzentwurf das allgemeine aktive und passive Wahlrecht. Ausweisungsgründe gibt es nach den Vorstellungen der Grünen, die den Entwurf im Mai einbringen wollen, keine mehr.