Frankfurt: Nachsitzen im 129a-Prozeß

Bundesanwaltschaft lehnt Rücknahme des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ gegen drei Frankfurter Angeklagte ab/ Die Beweisaufnahme muß wiederaufgenommen werden  ■  Aus Frankfurt Michael Blum

Im Prozeß gegen Michael D., Bernhard R. und den ehemaligen Gefangenen aus der RAF, Ali J., um den Brandanschlag auf eine Niederlassung des französischen Renault-Konzerns im hessischen Rosbach in der Nacht zum 1. März 1988 muß das Gericht erneut in die Beweisaufnahme eintreten. Ursprünglich war die Urteilsverkündung für den heutigen Dienstag eingeplant.

Der Vorsitzende Richter des 5.Strafsenats am Oberlandesgericht Frankfurt, Schieferstein, hatte Bundesanwaltschaft (BAW) und Verteidigung gestern morgen zunächst die Rücknahme des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ - angeblich namens „Für den Kommunismus“ - vorgeschlagen. Nach Paragraph 154 der Strafprozeßordnung ist eine Einstellung möglich, wenn nicht zu erwarten ist, daß eine Verurteilung nach Paragraph 129a ein höheres Strafmaß beinhaltet. Nach Meinung der Verteidigerin von Michael D., Waltraut Verleih, wollte das Gericht die den Männern ebenfalls vorgeworfene „Brandstiftung“ und die „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ so hoch verurteilen, daß die schwierige Beweisführung der „Mitgliedschaft“ nicht mehr nötig gewesen wäre. Bundesanwalt Leo Kouril lehnte den Vorschlag der Staatsschutzkammer ebenso ab wie die VerteidigerInnen. Berthold Fresenius, Verteidiger von Ali J.: „Eine Einstellung ist nicht in unserem Interesse, weil wir Freispruch fordern.“

Richter Schieferstein verlangte von der BAW, für die erneute Beweisaufnahme Ermittlungsakten zu weiteren Anschlägen, die von anderen, bislang unbekannten Mitgliedern der Vereinigung ausgeführt worden sein sollen, so „frühzeitig vorzulegen, daß auch die Verteidigung sie rechtzeitig einsehen kann“. In dem Indizienprozeß hatten die Bundesankläger einer angeblich seit 1984 existierenden „eigenständigen terroristischen Vereinigung 'Für den Kommunismus'“ etliche unaufgeklärte Brand- und Sprengstoffanschläge in Hessen unterstellen wollen. Ali J., Michael D. und Bernhard R., für die die BAW neun beziehungsweise jeweils sieben Jahre Haft wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Brandstiftung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ beantragt hatte, sollen laut BAW-Konstrukt als Mitglieder dieser ominösen Vereinigung, deren Name ausgerechnet dem eines Kritikpapiers an der RAF entliehen ist, die Männer sein, die Renault angegriffen haben. Die Aktion, so hieß es im Bekennerschreiben, sei eine Solidaritätsaktion mit den damals hungerstreikenden Gefangenen der Action Directe. Die Franzosen waren am 1.März 1988 den neunzigsten Tag im Hungerstreik gegen ihre Isolationshaftbedingungen und für die Zusammenlegung.

Der Prozeß wird am 17. April um 9.30 Uhr fortgesetzt.