Wilder Westen im Bremer Osten

■ Zwei drastische Methoden, um Junkies aus ihren Wohnungen zu vertreiben: Türen und Fenster entfernen oder neue Türen mit neuem Schloß einbauen / Bei Heroinabhängigen gilt MieterInnenschutz wenig

Montag, elf Uhr morgens: Eine Appartement-Wohnung im Erdgeschoß des 13geschossigen Blocks und ehemaligen Schwesternwohnheims „In der Wisch“. Der Fernseher läuft. Zwei junge Männer davor. Es zieht erbärmlich: Keine Wohnungstür, keine Tür zum Bad, keine zum Wohn-Schlafraum, kein Fenster im Bad, kein Glas mehr in der Balkontür. Damit der Wind nicht ganz ungehindert vom Balkon durch die Stube durchpfeifen kann, hat Mieter Ewald D. notdürftig die letzte vorhandene, aber viel zu schmale Tür des kleinen Abstellraums dazwischengehängt und den breiten Spalt mit einer Decke abzudichten versucht. Jede und jeder also kann sich Zutritt zu D.'s Appartement verschaffen, wahlweise über den fast ebenerdigen Balkon oder durch die nicht vorhandene Eingangstür.

Mieter Ewald D., gelernter Bürokaufmann, dann Taxi -Unternehmer und inzwischen Sozialhilfe-Empfänger, ist Junkie, heroinabhängig; „damals vor zwei Jahren, als ich die Wohnung bekommen habe, kam ich gerade aus Therapie, da sah ich ziemlich frisch aus.“ Schon vor einem Jahr kam eine erste Kündigung; nach Bemühungen des Sozialamtes durfte D. aber dann doch wohnen bleiben. D.: „Das wurde stillschweigend toleriert.“ D. beschönigt wenig. „Ziemlich voll“ sei er einmal im Dezember 1988

gewesen, so voll, daß sein Freund und er es nicht einmal gemerkt hatten, wie die Feuerwehr sie aus der Wohnung und ins Krankenhaus holte. Und sicher: Er ließe schon mal „Freunde aus dem Steintor“ übernachten, „wenn die auf der Straße liegen, klar“. Und zweimal in den zwei Jahren Mietdauer habe er selbst eine Scheibe eingeschlagen, wenn der Schlüssel verloren war. Der Hausverwalter wollte ihn loswerden. Eine

Zumutung sei er für die anderen Mieter. D.: „Dabei hab ich nie jemand angepöbelt! Als ich mal einen wegen 'ner Zigarette angehauen hab, hat der gesagt, die gibt er keinem dreckigen Fixerschwein, das wahrscheinlich auch noch Aids hat. Der hat sich bestimmt beschwert.“

Am letzten Donnerstagmorgen um 8 Uhr morgens, so berichtet D. der taz, klingelten zwei uniformierte Polizisten, zwei Hausmei

ster und zwei Helfer. Während die Polizisten Schubladen öffneten und nach Spritzen suchten, hebelten die Hausmeister die drei Türen und die beiden Fenster aus und nahmen alles gleich mit. Seitdem läuft die Heizung vergeblich auf Hochtouren und Rechnung des Sozialamtes und wärmt Balkon und Vorgarten.

D. hat seine letzte Kündigung im Dezember bekommen und sollte, soweit er sich erinnert,

zum 1.2. ausgezogen sein. „Das Sozialamt hat aber die Miete für Februar und auch für März schon überwiesen, und wo soll ich denn hin?“ Im Verein 'Kommunale Drogenpolitik‘ in der Weberstraße, der sich durch niedrigschwellige Hilfs-Angebote das Vertrauen der Junkies erworben hat, berichtet D. von seinem Dilemma. Willi Wambsganß vom Verein: „Die Junkies haben natürlich kein Geld für den Rechtsanwalt und legen dann keinen Widerspruch gegen die Kündigung ein. Und darauf spekulieren die Vermieter ungeniert. Ich höre immer häufiger von dieser Art Selbstjustiz.“

In der Ecke des Beratungs-Ladens hat eine junge Frau, Sabine M., gesessen, die jetzt herüberkommt. Auch ihr Hausverwalter des Wohnblocks Rembertiring 22, so erzählt sie emotionslos, wollte „Leute wie sie“ nicht haben, versuchte es aber gar nicht erst mit Kündigung, sondern ließ ohne Vorwarnung eine neue Tür mit neuem Schloß einbauen. Eintritt unmöglich. Auch die eilends besorgte einstweilige amtsgerichtliche Verfügung nutzte nichts außer Hinhalten der Haus-Verwaltung und dem Rat, doch den Gerichtsvollzieher notöffnen zu lassen. Auch da rief Sabine M. noch an, aber: „Der kommt nur für 200 Mark.“ Sie wohnt jetzt bei Bekannten. Ohne Papiere. Denn die sind in der Wohnung. S.P