„Gerne kloppen tun wir uns alle nicht“

■ BesetzerInnen der Fraunhoferstraße zu ihrer Forderung nach einem revolutionären Zentrum / Mit der Senatsverwaltung für Umwelt soll über eine „technische Lösung“ verhandelt werden / Inhaltliche Gespräche über das geforderte Zentrum mit der Jugendverwaltunmg nicht erwünscht

taz: Die Regierungskoalition weiß - Senatssprecher Kohlhoff zufolge - angeblich nicht, was euer Hauptanliegen mit der Besetzung ist. Geht es euch nun um die Zerschlagung des rot-grünen Senats, Solidarität mit dem Hungerstreik oder ein revolutionäres Zentrum?

Anna: Es geht uns überhaupt nicht darum, irgendwie den Senat zu zerschlagen, das ist völliger Blödsinn. Der Senat interessiert uns als Institution überhaupt nicht.

Wie ist dann das Flugblatt zu verstehen, das gestern als offener Brief an „alle reformidioten und verräter“ unter dem Briefkopf des revolutionären Zentrums mit dem Tenor aufgetaucht ist: „Rot-Grün zerschlagen“, „da waren uns ein Lummer und Kewenig noch lieber“?

Anna: Mit dem Flugblatt haben wir nichts zu tun. Es ist eine plumpe Fälschung.

Seid ihr an einer friedlichen Lösung interessiert?

Arthur 1: Gerne kloppen tun wir uns alle nicht. Ich denke, wir werden die Entwicklung jeweils so abschätzen wie sie ausieht und uns danach verhalten. Wir haben von vornherein gesagt, daß wir eine Durchsetzung mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln wollen, wie die dann jeweils adäquat aussehen wird, wird sich aus der konkreten Situation ergeben.

Was wollt ihr mit der Besetzung erreichen?

Arthur 2: Darüber wollen wir in diesem Interview nicht reden, sondern lieber ein längeres Gespräch führen.

Was ist die genaue Forderung?

Arthur 1: Das haben wir in der Besetzungserklärung klar gesagt, wir wollen dieses Haus haben, es gehört jetzt uns. Darin soll revolutionäre Politik gemacht werden und damit verknüpft sind auch gewisse Forderungen nach einer entsprechenden Sanierung des Hauses. Darüber werden technische Vehandlungen mit der Behörde für Stadtenwicklung und Umweltschutz geführt, ansonsten besteht für uns gerade mit dem Senat erstmal kein Gesprächsbedarf.

Seit ihr bereit, mit der Jugendbehörde zu verhandeln, wie es der Senat hat anklingen lassen?

Arthur 3: Ich sehe keinen Handlungsbedarf, mit der Jugendbehörde zu sprechen, wir sind aus dem jugendlichen Alter irgendwie schon lange raus.

Wie alt seid ihr, und wie ist das Zahlenverhältnis Männer/Frauen?

Anna: Alter von null bis hundert.

Arthur 4: Von den Leuten, die drinnen sind, dürfte es um die Mitte zwanzig sein.

Anna: Und die Frauen werden immer mehr.

Würdet ihr die Mitarbeiter der Jugendbehörde reinlassen?

Arthur 1: Wenn sie sich zu erkennen geben, lassen wir sie bestimmt nicht rein. Ich denke, das wird aus der Trennung, die wir vorgenommen haben, nämlich zwischen technischen und inhaltlichen Verhandlungen, ganz klar. Was Ströbele versucht, ist dem ganzen einen gewissen Dreh zu geben, indem er von der inhaltlichen Bestimmung - wie er sie gerne hätte

-uns den inhaltlich verantwortlichen Jugendbehördevertreter schickt. Uns geht es um technische Verhandlungen, um die Lösung des Problems Hausrecht. Die ist mit dem politisch Verantwortlichen zu führen, und es wird sich zeigen, ob der Senat das bleibt oder ob das irgendwann mal nach Bonn abwandert.

Ab 1. April ist das Bundesinnenministerium unter Zimmermann zuständig. Wird eure Vermittlerin dann dort verhandeln?

Anna: Ich glaube kaum, daß der (räuspert sich) Herr Zimmermann mit uns verhandeln würde, und auch nicht mit der Vermittlerin, die wir ihm anbieten würden.

Auch Ströbele hat gesagt, er wolle konkrete Forderungen hören.

Arthur 1: Also wir verweisen nochmals auf unsere Besetzungserklärung, nur die gilt. Das ist wirklich ein Phänomen: Die AL fragt immer, wo ist euer Forderungskatalog. Außerdem ist behauptet worden, daß auf der Senatssitzung lediglich eins unserer Flugblätter vorgelegen habe, das stimmt so nicht. Schneider und Pätzold haben die Besetzungserklärung persönlich ausgehändigt bekommen, das war am Donnerstag genau um 20.05 Uhr.

Hat sich die Senatorin Schreyer schon mit euch in Verbindung gesetzt?

Anna: Nein. Übrigens geht unser Telefon seit heute nicht mehr. Es ist vermutlich im Zusammenhang mit den Besetzungen, die heute vormittag gelaufen sind, abgeschaltet worden.

Eine Frage zur Polizei. Der Senatssprecher behauptet, die Polizei hält sich sehr zurück. Stimmt das?

Anna: Die Polizei, so wie sie öffentlich grün-weiß auftritt, hat sich hier nicht so zahlreich gezeigt. Allerdings befinden sich da drüben in dem Gebäude vom Eichamt Beamte, die in zivil sind, und es fahren auch immer Zivile im Karree rum. Daß sich sich die Polizei ganz raushält, das stimmt auch nicht.

Am Wochende haben Rechtsradikale einen Anschlag auf das Haus verübt, was macht ihr dagegen?

Anna: Sie haben Brandsätze ins Fenster unten reingeworfen. Bisher sind sie nicht wiedergekomen, zum Glück.

Arthur 1: Wir haben daraufhin den Schutz des Hauses nochmal intensiviert und hoffen, daß das als Signal erstmal reicht.

Wie reagiert die Nachbarschaft auf euch?

Anna: Och, ganz nett. Heut früh kamen Brötchen von der Nachbarschaft und eine Brotschneidemaschine haben sie uns gebracht ...

Arthur 3: ... und Sitzmöbel.

Arthur 1: Daß der Brandanschlag so harmlos abgegangen ist, hängt unter anderen auch damit zusammen, daß Nachbarn das beobachtet haben und die Bullen gerufen haben, und wir dadurch, daß die hier plötzlich aufgetauscht sind, aufmerksam geworden sind.

Was habt ihr auf eurer Hungerstreik-Vollversammlunmg beschlossen?

Arthur 4: Das können wir hier nicht beantworten, da müßt ihr euch an die Leute von der Hungestreik-VV wenden. Wir hier sind das Gebäude (allgemeines Lachen).

Habt ihr Modelle, nach dem das Projekt laufen soll, sowas wie die Stollwerckfabrik in Köln oder Kampnagelfabrik in Hamburg?

Anna: Dazu weiß ich im Moment über das Stollwerck zu wenig.

Arthur 3: Also wir sind unvergleichbar, und wir versuchen erstmal unserer eigenes Ding hier zu machen, was auch aus den Papieren hervorgeht.

Arthur 1: Wir arbeiten daran, wie wir hier leben und arbeiten wollen und wie wir das auf die Reihe kriegen wollen. Im Moment ist es reell auch eine Frage des Zusammelebens, auch wenn wir hier auf Dauer nicht wohnen wollen. Das sind für uns vorrangigere Fragen als die Frage, in was für einen juristischen oder sonstwie Guß man das nachher bringen kann, wenn unsere Vermittlerin an die politisch Verantwortlichen herangetreten ist.

Gibt es Verbindungen zu den anderen besetzten Häusern und sowas wie einen Besetzerrat?

Arthur 1: Ich hoffe, daß es nie wieder einen Besetzerrat geben wird.

Anna: Der würde nämlich jetzt BesetzerInnenrat heißen! Es gibt Kontakte unter den Häusern. Ich denke aber nicht, daß das genauso ablaufen kann wie es mal abgelaufen ist. Wir sind hier seit vier Tagen drin, da können einfach noch nicht die Wahnsinnskonzepte stehen.

Ganz so neu ist die Idee eines revolutionären Zentrums ja nicht.

Arthur 2: Da muß man unterscheiden zwischen einer inhaltlich bestimmten Diskussion darüber, wie unsere Strukturen aussehen könnten und dem, was passiert, wenn man sich tatsächlich ein Haus nimmt und anfängt, sowas aufzubauen.

Hat sich eure Annahme, das die AL Kosmetik betreibt, bestätigt?

Arthur 1: Es würde mein politisches Weltbild umstoßen, wenn es sich um etwas anderes als Kosmetik handeln könnte.

Habt ihr erwartet, daß Ströbele herkommt und ein Multikulturelles Zentrum anregt?

Anna: Ich habe überhaupt keine Erwartung an den Senat jemals gehabt.

Wie lief das praktisch ab, als Ströbele kam?

Anna: Der Ströbele ist erstmal reingelassen worden. Es ging nur darum, daß unten eine Hungerstreik-VV war und nicht akzeptiert wurde, daß der Ströbele da dabei ist.

Arthur 1: Für Vertreter der Politik gelten die gleichen Regeln wie für die Presse. Das heißt: Augen zu und durch ins Büro, da wird weitergeredet. Ich denke, es ist relativ klar: Wenn ein Vorstandsmitglied einer Partei hierherkommt, daß das einen gewissen Charakter hat und daß sich die Gespräche auch danach verhalten.

Anna: Nicht umsonst wollen wir eine Vermittlerin bestimmen.

Ist die Frage der Vermittlerin inzwischen geklärt?

Arthur 2: Es gibt zur Frage der VermittlerInnen noch keinen neuen Stand, den wir bekannt geben könnten oder wollten.

Die inhaltliche Ausrichtung eures revolutionäres Zentrums geht immerhin soweit, daß ihr euch laut Flugblatt auch Veranstaltungen mit der Zehlendorfer und DGB-Jugend vorstellen könnt.

Arthur 1: Der Lehrsatz, der dahinter steht aus einem der ersten Papiere ist: Je klarer das Zentrum sich als Zentrum inhaltlich profilieren kann, desto breiter kann der Kreis derer sein, mit denen wir hier Gespräche führen und zusammenarbeiten können.

Anna: Es ging überhaupt nicht darum, ein Zentrum für die Jugendlichen hier im Bezirk zu machen, sondern um ein Zentrum, wo die Menschen und Gruppen aus den einzelen Bezirken sich hier treffen können, als Mittelpunkt.

Arthur 1: Es geht darum, als Gruppen und Strukturen aus der ganzen Stadt einen Vorstoß in die City zu machen. Deswegen sind wir nach Charlottenburg gegangen, und nicht weil uns der Aufbau einer spezifisch Charlottenburger Struktur wichtig gewesen wäre.

Interview: plu