Schleichwerbung und Klassikerpflege

■ Bekommt der Leo-Kirch-Sender „pro7“ terrestrische Frequenzen?

Entsprechend RTL plus, SAT 1 und Tele 5 fordert der private bundesweite Kabelfernsehanbieter pro7 in München für sich terrestrische Frequenzen. Noch in dieser Woche will er die Frequenzen bei allen Landesmedienzentralen beantragen. „Nur im Kabel kann 'pro7‘, auch in größter betriebswirtschaftlicher Effizienz, seine enormen Investitionen nicht zurückverdienen“, begründet pro7 -Geschäftsführer Georg Kofler den Versuch, vom Kabel in den Äther zu gelangen. Hoffnung freilich macht er sich wenig, dies noch in absehbarer Zeit zu schaffen. Bis dahin soll viel Werbegeklapper und eine Gemeinschaftsaktion mit dem TV -Gerätefachhandel, alle neuen Fernsehgeräte gleich mit pro7 auf den siebten Programmknopf einzustellen, die erwünschten Einschaltquoten liefern. „Wenn in der zweiten Jahreshälfte der Kanal pro7 bei ähnlich vielen Fernsehgeräten eingestellt ist, wie dies für Tele 5, Eins Plus oder 3 Sat der Fall ist, dann werden sich die Seherzahlen sozusagen automatisch verdoppeln“, meint Kofler. „Um dieses Ziel zu erreichen, wird pro7 in den nächsten Monaten nicht nur gutes Programm bieten, sondern auch viel darüber reden.“

Das letzte Versprechen zumindest löste pro7 auf einer Pressekonferenz in München gleich ein. Ein „audiovisueller Feinkostladen“ möchte pro7 sein für ein Publikum, deren „Unterhaltungsansprüche eine Mindestintelligenz von den Geschichten fordert“. Eben ein Programm für Leute, „die selektiv fernsehen und auch ihr sonstiges Leben etwas differenzierter gestalten“. Es gebe phantasievolle Unterhaltung für Kinder und Jugendliche, eine feste Sendeschiene für Dokumentationsfilme, täglich ein Informationsmagazin zur Gegenwartskultur und in Zukunft Nachrichtensendungen, die die Informationsvielfalt erweitern.

Die Programmwirklichkeit bei pro7 ist dann schon anders: Die „phantasievolle Unterhaltung“ für Kinder und Jugendliche meint Mondbasis Alpha und Tarzan, und wer an das Aufleben zeitgemäßer bundesdeutscher Dokufilmkultur dachte, wird statt dessen mit Naturidyllen von Rocky Mountains bis Tundra bedient. Hinter dem täglichen Informationsmagazin verbirgt sich ein knapp zehnminütiger besserer Videoclip zu den schleichwerbeorientierten Themen Mode, Reisen, Kino, Musik und Wohnkultur. Und die Informationsvielfalt der Nachrichten reduziert sich auf kurzbebilderte Lifestyleschlagzeilen über europäischen Programmaustausch.

Bleibt das Spielfilmangebot. Dazu gehört sogenannte „Klassikerpflege“ mit John-Wayne-Schinken, aber auch Bunuel, Fellini, Chabrol, Bertolucci, Lubitsch. Freilich seltene Fettaugen, unterbrochen von schillernden Werbespots, auf der Suppe von jährlich 850 Spielfilmen. Sie stammen zu fast einhundert Prozent aus dem Lizenzfundus der Kirch-Gruppe, die auch an SAT 1 beteiligt ist. Medienzar Leo Kirch bediente als Monopolist mit seinen weltweit zusammengekauften deutschen Filmrechten früher ARD und ZDF, weshalb viel Bekanntes von den Straßen von San Francisco bis Humphrey Bogart auf dem pro7-Bildschirm flimmern kann. Nun vermarktet Kirch sie über SAT 1 und pro7 direkt. Damit das möglich wurde, beteiligte sich sein Sohn mit 48 Prozent an dem Münchner Kabelfernsehanbieter Eurekatv, der ein bundesweites Informations- und Nachrichtenprogramm etablieren wollte. Im Herbst vergangenen Jahres modelte Kirch Eureka zum spielfilmorientierten Unterhaltungsprogramm pro7 um. Für die „Altlastenentsorgung“, so pro7 -Geschäftsführer Georg Kofler, trennte sich eureka/pro7 von über hundert Mitarbeitern und ist jetzt ein Unternehmen, so meint Kofler, mit dem eine „neue Generation ins deutsche Fernsehgeschäft hineinwächst“.

Ralf Homann