Botanik und Revolution

■ Frankreich pflanzte sich 12.000 Freiheitsbäume

In der Restauration gehörten sie zu den ersten Opfern: die jakobinischen Freiheitsbäume, in besseren Tagen von den Citoyens gepflanzt, um die sprießende Freiheit auf ewig zu symbolisieren. Doch bald schon fielen die libertären Pappeln den Axthieben der Konterrevolution zum Opfer. Heute ist in ganz Paris kein einziger lebender Zeuge der Revolution mehr zu finden.

Gestern jedoch, pünktlich zum Frühlingsbeginn, schnürte sich, wie 12.000 seiner Amtskollegen, auch der Bürgermeister von Chateau Chinon ein Schürzchen vor den prominenten Leib, um den alten Bürgerkult noch einmal zu vollziehen.

Fran?ois Mitterrand pflanzte einen Freiheitsbaum in dem mittelfranzösischen Städtchen Saint-Gaudent, wo vor 199 Jahren der örtliche Pfarrer den allerersten Freiheitsbaum begoß. Präsident Mitterrand wählte die Aktion zum ersten Höhepunkt der 200-Jahr-Feier wegen ihrer angeblich pädagogischen Funktion: Am gleichen Tag würden alle Bürgermeister den gleichen Baum setzen und damit alten republikanischen Bund erneuern...

Doch schon die Auswahl des Freiheitsträgers bereitete Schwierigkeiten. Während von Staats wegen entschieden von Ulme (zu anfällig) und Pappel (zu kurzlebig) abgeraten wurde und der Festspielleiter Jeanneney ein botanisches Plädoyer für die Linde abgegeben hatte, wurden gestern sogar neugepflanzte deutsche Eichen gesichtet. Noch schlimmer: Zwei Drittel der 36.000 Kommunen der Nation hielten es gar nicht für nötig, der Freiheit einen Baum zu spenden.

Alexander Smoltczyk