DVU auf Stimmenfang bei Aussiedlern

Mit namentlich adressierten Schreiben und amtlichen Formularen wirbt die rechtsextreme DVU in Nürnberger Aussiedlerheimen und sammelt Unterschriften für ihre Liste zu den Europawahlen  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Nach einer bundesweiten Postwurfsendung und einer gezielten Werbeaktion in Altenheimen hat die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) nun ein neues Terrain für ihren Stimmenfang entdeckt: die Aussiedlerheime. Briefe, mit einem höchst amtlichen Bundesadlerwappen versehen und der Unterschrift: „Der Bundeswahlleiter“, brachte der Postbote in der letzten Zeit in die zehn Nürnberger Übergangsheime für Aussiedler. Sie waren den überraschten Neuankömmlingen mit Namen und Anschrift zugestellt worden und baten um eine einfache Unterschrift. Unterschreiben sollten die Angesprochenen, daß sie mit ihrer Signatur „den Wahlvorschlag der DVU Liste D für die Wahl zum Europäischen Parlament unterstützen“.

Seit einiger Zeit beobachten die MitarbeiterInnen von Nürnberger Wohlfahrtsverbänden, wie rechtsextreme Organisationen, darunter vor allem die DVU des Münchner Verlegers Frey, Aussiedler mit Propagandamaterial überschütten. Sie bekommen ohne Anforderung Freys 'Nationalzeitung‘ zugeschickt, andere finden Flugblätter in ihren Briefkästen, in denen man sie als „Landsleute“ begrüßt, „die Not, Elend, Verfolgung, Entrechtung und Versklavung erlitten haben.“ Die Betreuungsorganisationen in den Übergangswohnheimen hat die neueste Unterschriftenliste der DVU jetzt veranlaßt, an die Öffentlichkeit zu gehen. In einem gemeinsamem Brief protestieren neun Verbände, darunter die Caritas, das Rote Kreuz und die Aussiedlerberatung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, gegen die „unfaire Werbung der rechtsextremen Gruppen“ und ihre „bewußte Irreführung einer Zielgruppe“.

Im Gespräch werden die BeraterInnen der AussiedlerInnen deutlicher: Eine „Sauerei“ sei das Ganze. Die Unterschriftensammlung der DVU mit dem amtlichen Briefkopf ist zwar tatsächlich ein Formular des Bundeswahlleiters. Parteien können es beim Statistischen Bundesamt anfordern, um damit die nötigen 4.000 Unterschriften für ihre Zulassung zur Europawahl zu sammeln. Doch bei den Aussiedlern, so vermuten die Wohlfahrtsverbände, werde ganz schamlos die Unerfahrenheit und Unkenntnis über die politische Situation ausgenutzt. „Die Leute“, so berichtet eine Mitarbeiterin der Arbeiterwohlfahrt, „kommen zu uns und fragen, ob sie denn das nun unterschreiben müßten. Die sind aus ihrer Heimat gewohnt, daß man amtliche Papiere unterschreiben muß und sich dem nicht widersetzen kann.“ Die meisten wüßten gar nicht, wofür sie da ihre Unterschrift leisteten. Verärgert reagieren die Betreuungsorganisationen auch deshalb, weil die Aussiedler sich ohnehin gegen das Vorurteil wehren müssen, sie seien erzkonservativ und rechtsnational. Völlig unklar ist bisher, wie die Rechtsextremen an Namen und Adressen der Aussiedler herangekommen sind. Ob DVU -Mitglieder in den zehn Nürnberger Übergangsheimen die Namen von den Briefkästen abgeschrieben haben, ein Mitbewohner die Adressen weitergegeben hat oder in der Verwaltung der Heime eine undichte Stelle ist, bleibt offen. Fest steht dagegen, daß die DVU die notwendigen Unterschriften, die Voraussetzung für ihre Wahlzulassung sind, längst zusammen hat - auch ohne die Aussiedler, die mit der Unterschriftenaktion wohl eher als langfristige Gefolgschaft geworben werden sollten.