: Gescheitert
Die Wahl in El Salvador zwingt die USA zu neuer Strategie ■ K O M M E N T A R E
Der Wahlsieg der extremen Rechten in El Salvador dokumentiert das endgültige Scheitern der US-Strategie im kleinsten Staat Zentralamerikas. Ein halbes Jahrhundert lang hatten sich die Vereinigten Staaten mit den sich ablösenden Militärdiktaturen problemlos arrangiert. Erst der Sieg der Sandinisten im benachbarten Nicaragua und eine vorrevolutionäre Aufbruchstimmung in El Salvador brachten die Herren im Weißen Haus zur demokratischen Besinnung. Gezielt haben sie 1980 den heutigen Präsidenten Duarte an die Macht gespielt, als Mann der Mitte aufgebaut und sein christdemokratisches Regime weltweit als demokratische Alternative zur „sandinistischen Diktatur“ in Nicaragua verkauft. Wahlen waren in diesem Kontext immer nur ein wenn auch wichtiges - Element der Aufstandsbekämpfung. In einem Land aber, wo Krieg und Terror herrschen, wo die Auseinandersetzung um gesellschaftliche Probleme vor den Gewehrläufen stattfindet, in einem Land, wo zudem jegliche liberal-aufklärerische Tradition, der Humus der bürgerlichen Demokratie, fehlt, relativiert sich die Bedeutung von Wahlen für die Legitimierung von Herrschaft.
Nun müssen sich die USA, die sich ihr Projekt eines christdemokratischen El Salvador in den letzten neun Jahren täglich über eine Million Dollar kosten ließen, wieder mit der extremen Rechten arrangieren. Dies haben sie sich zu einem großen Teil selbst zuzuschreiben. Duarte hatte die Wahlen von 1984 vor allem mit dem Versprechen gewonnen, mit der Guerilla einen Frieden auszuhandeln. Ob er dies auch wollte, bleibt der Spekulation überlassen. Fest steht, daß er nicht durfte, weil der Große Bruder auf die Kapitulation der Guerilla setzte und nicht auf den Kompromiß mit ihr. Ihre Unfähigkeit, dem Land - auf dem Weg eines Dialogs oder über die Zerschlagung der Guerilla - Frieden zu bringen, sowie Mißwirtschaft und Korruption und die servile Haltung gegenüber den USA, die sich in Duartes Kuß aufs Sternenbanner versinnbildlichte, haben die Christdemokratie am Sonntag um einen Sieg gebracht.
Die Fronten sind also geklärt. Auf der einen Seite die Oligarchie und die Armee, beide repräsentiert durch den Kaffeemillionär Alfredo Cristiani, auf der andern Seite die Guerilla, die militärisch heute stärker denn je in den acht vergangenen Kriegsjahren ist. Das Volk ist beim Urnengang zur Hälfte abseits geblieben. Ein Großteil dieser Hälfte ist damit dem Aufruf der Guerilla gefolgt und hat gleichzeitig die politische Linke, die sich den Wahlen stellte, zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Ein Großteil der anderen Hälfte hat aus Enttäuschung über die Christdemokratie eine Partei gewählt, deren Gründer, Major Roberto d'Aubuisson, an die Ermordung von zehntausenden Salvadorianern mitschuldig ist.
Mit einer rechtsextremen Regierung aber wird sich zunächst in El Salvador nichts Grundlegendes ändern. Auch sie wird die Guerilla militärisch nicht besiegen können, und auch sie muß gewisse demokratische Normen formal einhalten, weil sie auf die lebenwichtigen Alimente der USA nicht verzichten kann. US-Präsident Bush hat dies schon in aller Deutlichkeit klar gemacht. Noch ist unklar ob Cristiani, der sich als dynamischer moderner Macher geriert, nur ein Strohmann d'Aubuissons ist, den der frühere US-Botschafter einmal zurecht als „pathologischen Killer“ bezeichnet hat. Sollte der künftige Präsident aber tatsächlich mehr als nur eine Vorzeigefigur der Rechtsextremisten sein, werden die Vereinigten Staaten alles daran setzen, aus der Partei der Todesschwadronen eine präsentable moderne Rechte zu schmieden. Cristiani hat die Parteien des Landes bereits zum „nationalen Zusammenschluß“ aufgefordert, und es ist sogar durchaus möglich, daß die rechtsextreme Regierung nach einer Anstandsfrist einen Dialog mit der jetzt schon gesprächsbereiten Guerilla sucht. Nicht weil Cristiani friedliebender als Duarte ist, sondern weil Bush weiß, daß Reagans Strategie gescheitert ist. Die Schlüssel für eine Lösung im Hinterhof liegen nach wie vor im Weißen Vorderhaus.
Thomas Schmid
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen