Israels Geheimdienst für Kontakt zur PLO

Bericht zur „Lage der Nation“ fordert Verhandlungen / Palästinenseraufstand könne noch Jahre andauern Keine alternative Führung zur PLO in den besetzten Gebieten vorhanden / Dialog USA-PLO geht weiter  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

„Wir sind gegen Verhandlungen mit der PLO.“ Während Israels Ministerpräsident Jizchak Schamir am Montag vor der Solidaritätskonferenz von Diaspora-Juden in Jerusalem diese Erklärung zum wiederholten Male abgab, war sein Geheimdienst längst zu ganz anderen Schlußfolgerungen gekommen.

In einem Bericht zur „Lage der Nation“ haben Wissenschaftler des Geheimdienstes, die von der Regierung selbst ernannt worden sind, Schlußfolgerungen aus der aktuellen Situation Israels formuliert, die dem Ministerpräsidenten kaum gefallen dürften: Die Experten konstatierten, daß der Palästinenseraufstand in den besetzten Gebieten noch Jahre anhalten könne und daß es keine Lösung des Problems ohne Verhandlungen mit der PLO geben werde. Aus dem von Schamir geführten Likud-Block wurde gestern der Vorwurf laut, die Arbeiterpartei von Schimon Peres habe die Veröffentlichung des Berichts lanciert.

Der israelischen Presse zufolge spricht der Geheimdienst von weitreichenden Veränderungen innerhalb der PLO in den letzten Monaten. Sie strebe nun eine realistische politische Lösung an. Darüber hinaus heißt es, daß der Palästinenseraufstand den Friedensprozeß im Nahen Osten angekurbelt oder beschleunigt habe. Die beiden Supermächte verfolgten mittlerweile das Ziel, den Konflikt zu lösen. Konsequenterweise bedeute dies, so der Bericht, eine engere Koordination zwischen den Großmächten in dem Bemühen, eine politische Regelung für den Nahost-Konflikt zu finden.

Die Geheimdienstler führten weiter aus, daß es ihren Untersuchungen zufolge in der Westbank und dem Gazastreifen keine andere palästinensische Führung als die PLO gibt. Mit Ausnahme der pro-jordanischen Notablen, die allerdings isoliert seien, hätten alle palästinensischen Führungspersönlichkeiten Beziehungen zur PLO.

Schließlich warnen die Autoren des Berichts vor der Gefahr, die sich für Israel aus der Gründung des Fortsetzung Seite 2

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Bündnisses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Jordanien, Ägypten, dem Irak und dem Nordjemen ergibt, auch wenn es sich hier um das gemäßigte Lager in der arabischen Welt handelt. Sollte aber der Friedensprozeß verzögert werden oder gar scheitern, könnte diese „östliche Front“ zu einer Bedrohung für Israel werden, vor allem durch den Irak mit seiner starken und kriegserprobten Armee. Die israelischen Regierung müsse selbst entscheiden, ob sie das Vierstaatenbündnis zum Eckstein wirtschaftlicher und politischer Zusammenarbeit machen oder eine feindliche Organistion entstehen lassen wolle. Die Entwicklung hänge davon ab, ob Israel eine politische Lösungen des Konflikts anstrebe oder nicht. Die Geheimdienstler rechnen auch damit, daß die USA ungeachtet der Einwände Israels ihre offiziellen

Gespräche mit der PLO fortsetzen werden. Am heutigen Mittwoch findet erneut ein Treffen beider Seiten in Tunis statt.